Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)
jungen Musiker zusätzlich zu seinem weiterlaufenden Gehalt noch ein Taschengeld zu zahlen. Waldstein organisierte die Reise und gab Beethoven Empfehlungsschreiben an seine Wiener Verwandten und Bekannten mit.
Es wird allgemein angenommen, Beethoven habe seine Dankbarkeit ausgedrückt, indem er Waldstein die Klaviersonate in C-Dur op. 53 widmete. Manches an dieser Widmung bleibt jedoch rätselhaft. Waldstein soll ab dem Herbst 1802 einige Monate auf dem europäischen Festland verbracht und in dieser Zeit Wien besucht haben. Sein Aufenthalt in der österreichischen Hauptstadt ist jedoch nirgendwo dokumentiert, auch nicht seine angeblichen Begegnungen mit Beethoven in dieser Zeit. Eigenartig ist auch, dass Waldsteins Name nicht auf dem Manuskript der Sonate steht, sondern erst auf der Titelseite der gedruckten Ausgabe aus dem Jahr 1805 erscheint. Schließlich findet sich keine Erklärung für die Tatsache, dass Beethoven seinen früheren Mäzen später nie mehr getroffen hat, trotz Waldsteins unübersehbarer Gegenwart in Wien seit dem Jahr 1809.
Noch mehrere Monate vergingen, bis Beethoven nach Wien abreisen konnte. Das lag allein daran, dass der Kurfürst, der nicht nur zu der Beurlaubung als solcher, sondern auch zu den finanziellen Regelungen seine Zustimmung geben musste, sich gerade um Wichtigeres zu kümmern hatte. Die Sommermonate hatte er noch in Mergentheim verbringen können, aber während des gesamten Herbstes überschatteten die kriegerischen Ereignisse am Rhein und die Gefahr einer Besetzung Kurkölns durch französische Truppen alles andere. Schon 1791 hatten europäische Mächte, angeführt von Österreich und Preußen, eine Koalition gegen das revolutionäre Frankreich gebildet; durch eine militärische Intervention sollten der französische König wieder in seine Rechte eingesetzt und die alte Ordnung wiederhergestellt werden. Doch der mühsame Vormarsch der Alliierten, der im späten Frühjahr 1792 begann, wurde am 20. September 1792 bei der berühmten Kanonade von Valmy, knapp zweihundert Kilometer vor Paris, zum Stehen gebracht; geschwächt und entmutigt traten die Koalitionstruppen den Rückzug an, ohne eine wirkliche Schlacht geliefert zu haben. Verfolgt von plündernden und brandschatzenden französischen Truppen zogen sich die preußischen und österreichischen Armeen bis Frankfurt zurück, so dass französische Truppen völlig ungehindert zum linken Rheinufer vorstoßen konnten; plötzlich war die Eroberung von Köln und Bonn eine reale Gefahr. Maximilian Franz ging auf Nummer sicher, packte seine wichtigsten Akten zusammen und setzte sich auf Umwegen in Richtung Mergentheim ab.
Bonn wurde von Flüchtlingen überschwemmt, die Stimmung war gedrückt. Beethoven, dessen anfängliche Begeisterung für die Franzosen und ihre Revolution nach zahllosen Schreckensnachrichten schon stark abgekühlt war, konnte froh sein, dass er seine Geburtsstadt bald verlassen durfte. Am 1. November fand im Zehrgarten ein kleines Abschiedsfest statt, bei dem ihm seine besten Freunde als Medizin für Momente der Einsamkeit und Melancholie ein hübsch illustriertes «Stammbuch» schenkten, eine Sammlung poetischer Glückwünsche und verklärender Sinnsprüche über Freundschaft. In diesem Erinnerungsbüchlein mit Zitaten und Paraphrasen damals verehrter Dichter wie Schiller, Herder und Klopstock haben sich vor allem diejenigen verewigt, denen Beethoven wirklich nahe stand. Man findet darin keine Namen von Musikerkollegen, weder jungen noch älteren, dafür aber die einiger Professoren, Hofbeamte und Ärzte, natürlich auch die Namen Waldsteins, der Breunings und der Kochs, mit Ausnahme von Babette. Vor allem Waldsteins Beitrag springt ins Auge:
«Lieber Beethoven!
Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung ihrer so lange bestrittenen Wünsche. Mozart’s Genius trauert noch und beweinet den Tod seines Zöglinges. Bei dem unerschöpflichen Hayden fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung; durch ihn wünscht er noch einmal mit jemanden vereinigt zu werden. Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozart’s Geist aus Haydens Händen .
Bonn d. 29 TEN Oct. 1792. Ihr warer Freund Waldstein»[ 77 ]
Dem letzten Satz wird meistens ein geradezu prophetischer Gehalt zugeschrieben, weil Beethoven darin in einem Atemzug mit Haydn und Mozart genannt wird, als wäre die spätere Vorstellung vom Triumvirat der sogenannten Wiener Klassik hier zum ersten Mal in Worte gefasst worden. Eigentlich hat Waldstein aber nur die
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