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Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Titel: Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Caeyers
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Lebens aus Venedig verbannt wurde, boten ihm Waldstein und sein Bruder Asyl in ihrem böhmischen Familiensitz und halfen ihm bei der Übersetzung der Histoire de ma vie ins Deutsche.
    Was das Abenteuerliche angeht, so stand Waldsteins Karriere jener Casanovas kaum nach. Als böhmischer Aristokrat mit makellosem Stammbaum – seine Mutter war eine geborene Liechtenstein, seine Großmutter eine Trauttmansdorff – war er für eine Laufbahn im Deutschen Orden vorgesehen. Nach den obligatorischen Scheinheldentaten im Dienst des Malteser Ordens an der marokkanischen Küste wurde er im Frühjahr 1788 in Mergentheim zum Ritter geschlagen; bei der mit großem Prunk inszenierten Feier einschließlich Galaball durfte die vollständige Bonner Hofkapelle aufspielen. Ein Jahr später wurde Waldstein, natürlich ohne seine Eignung unter Beweis stellen zu müssen, von Maximilian Franz in den kurkölnischen Staatsrat berufen, in dem er vor allem für die Finanzen zuständig war. Nebenbei betätigte er sich als Maître de plaisir des Hofes. Er konnte Feste gestalten wie kein anderer, schrieb selbst komödiantische Szenen und Vaudevilles – traditionelle französische Gassenhauer – und amüsierte das Publikum mit unnachahmlichen Parodien in verschiedenen französischen Dialekten oder Sprachen – sein Okzitanisch soll perfekt gewesen sein. Außerdem inszenierte er musikalisch-szenische Spektakel, die man als echte «Gesamtkunstwerke» bezeichnen könnte und für die er alles selbst schrieb und entwarf: Texte, Musik – er spielte ausgezeichnet Klavier und konnte ein wenig komponieren –, Choreographie, Kostüme und Bühnenbild. Am 6. März 1791 wurde im Bonner Redoutensaal das Ritterballett aufgeführt, ein großes Karnevalsspektakel, bei dem man in altdeutscher Tracht «die Hauptneigungen unserer Urväter zu Krieg, Jagd, Liebe und Zechen»[ 76 ] Wiederaufleben ließ. Später stellte sich heraus, dass die Musik dazu gar nicht von dem Grafen, sondern von einem Ghostwriter komponiert worden war, seinem Protegé Beethoven – in den Augen eines Aristokraten des späten 18. Jahrhunderts eine nur geringfügige Manipulation der Wirklichkeit. Wie dem auch sei: Waldstein eroberte sich innerhalb kurzer Zeit eine Schlüsselposition in der gehobenen Bonner Gesellschaft, war ein gern gesehener Gast in den wichtigsten Salons, gehörte zu den Stammgästen des Zehrgartens und war Mitglied der Lesegesellschaft, später sogar ihr Vorsitzender.
    Nach der Besetzung großer Teile Kurkölns durch die französischen Revolutionstruppen und der Flucht des Kurfürsten nach Wien im Jahr 1794 war es auch mit Waldsteins fröhlichem Leben in Bonn schnell vorbei, nicht zuletzt, weil er bei fast allen vermögenden Familien – besonders den Breunings – tief in der Kreide stand. Er wählte das Abenteuer, trat nach einer politischen Auseinandersetzung mit seinem früheren Arbeitgeber in britische Dienste, rekrutierte in Österreich und Deutschland eine Söldnertruppe und führte eine militärische Expedition nach Westindien. 1809 kehrte er im Auftrag des britischen Königs als Leiter einer diplomatischen Mission in die österreichische Heimat zurück. 1812 gab er seinem Leben noch einmal eine entscheidende Wendung, trat aus dem Deutschen Orden und der britischen Armee aus und heiratete eine steinreiche polnische Witwe. Diese Heirat verschaffte ihm wieder die Mittel, die er brauchte, um eine glanzvolle Rolle im gesellschaftlichen Leben spielen zu können. Während des Wiener Kongresses war er sogar einer der wichtigsten Organisatoren des unterhaltenden Begleitprogramms. Danach ging es schnell bergab; der aufwändige Lebensstil, sein Hang zum Abenteuer und leichtsinnige Spekulationen führten zum Ruin. Er starb völlig verarmt im Jahr 1823.
    Beethoven lernte den Grafen bei den Breunings kennen; er gewann gleich Waldsteins Sympathie und wurde von ihm – oft auch finanziell – unterstützt. So war vermutlich die Entscheidung der Lesegesellschaft, Beethoven den Auftrag für die Kaiserkantaten zu erteilen, nicht zuletzt Waldsteins Einfluss zu verdanken. Beethoven leistete dafür einige musikalische Hilfsdienste wie die Komposition der Musik zu einem Ritterballett (WoO 1), außerdem widmete er ihm einen Variationszyklus für Klavier zu vier Händen, die Acht Variationen über ein Thema des Grafen Waldstein (WoO 67). Und es war Waldstein, der nach Haydns positiver Reaktion im Juli 1792 den Kurfürsten dazu überredete, Beethoven nach Wien zu schicken und dem

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