Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)
Sonderzahlung war willkommen, ob es eine Versetzung war, eine notwendige Reparatur an einem Instrument oder der Kauf einer neuen Saite. Ein wenig zu sparen versuchte Lobkowitz schon; die Zahl der Veranstaltungen wurde verringert, und fest angestellte Musiker, die in Pension gingen, wurden durch freie Mitarbeiter ersetzt. Aber die Lage war aussichtslos, und Lobkowitz zog sich allmählich immer mehr zurück; Briefe ließ er jahrelang ungeöffnet liegen.
Doch auf die Dauer konnte er den Kopf nicht in den Sand stecken, und ab 1813 nahmen andere das Heft in die Hand. Der endgültige Niedergang folgte einem klassischen Muster. Zunächst versuchte die Familie, ihn auf möglichst schonende Weise kaltzustellen, indem sie zu seiner Beaufsichtigung eine Art Komitee unter dem Vorsitz seines Schwagers Schwarzenberg einsetzte. Als sich diese Maßnahme nach einem Jahr als unzureichend erwies, wurde Lobkowitz unter Kuratel gestellt und für bankrott erklärt. Er wurde nun von einer Klagewelle überrollt und musste ein Heer von Spitzenanwälten zu Hilfe rufen, um dem Gefängnis zu entgehen. Schließlich zog er sich auf eines seiner böhmischen Güter zurück, wo er 1816 starb.
Vermutlich hat Lobkowitz Beethoven über seinen Kapellmeister Wranitzky kennengelernt, der ebenfalls ein ehemaliger Schüler von Haydn und Albrechtsberger war. Am 2. März 1795 lud er den jungen Pianisten aus Bonn zu einem Privatkonzert ein. Wenige Wochen später wohnte er Beethovens Debut vor großem Publikum im Burgtheater bei und subskribierte die Klaviertrios op. 1. Trotzdem musste Beethoven noch bis 1798 auf einen Kompositionsauftrag von Lobkowitz warten: einen Zyklus von sechs Streichquartetten.
Schon 1795 hatte Graf Anton Georg Apponyi ihm vorgeschlagen, ein Streichquartett für ihn zu schreiben. Damals fühlte sich Beethoven dieser Aufgabe noch nicht gewachsen. Apponyi, ein Freimaurerfreund sowohl Haydns als auch Mozarts, hatte 1793 zwei Quartettzyklen bei Haydn bestellt (op. 71 und 74), und als Haydns Schüler genoss Beethoven das Privileg, seinem Lehrer bei dieser Arbeit quasi über die Schulter schauen zu dürfen. Er wusste, dass Haydn in dieser Gattung Maßstäbe setzte, und schreckte davor zurück, sich auf dasselbe Terrain zu begeben. 1798 sah die Sache schon anders aus. Obwohl auch über dem neuen Projekt noch der Schatten des Meisters lag – Lobkowitz hatte etwa gleichzeitig sechs Quartette bei Haydn bestellt –, waren die Voraussetzungen nun besser. Beethoven hatte viel Kompositionserfahrung gesammelt und Selbstvertrauen gewonnen. Er hatte Mozarts Quartette KV 387 und 464 eingehend studiert und transkribiert, um die Möglichkeiten der Gattung noch genauer zu erkunden. Und dass Schuppanzighs erfahrenes Quartett seine Stücke in Lobkowitz’ Laboratorium aufführen und er selbst die Gelegenheit haben würde, weiter an ihnen zu feilen, muss ihn beruhigt haben.
Die Komposition der Quartette war eine faszinierende Herausforderung, die Beethoven mehr als zwei Jahre in Anspruch nahm; allerdings hat er im zweiten Jahr außerdem an seiner 1. Sinfonie und an einem neuen Klavierkonzert gearbeitet. Eine Folge von drei Quartetten war nach weniger als einem Jahr fertig. Im Juni 1799 wurden die Partituren kopiert; eines der Stücke (das Streichquartett in F-Dur op. 18, Nr. 1) gab er seinem nach Kurland abreisenden Freund Amenda mit.[ 99 ] Im Oktober erhielt Lobkowitz diese drei Quartette, und einige Wochen später konnte Beethoven den Empfang von 200 Gulden bestätigen. Nach einer mehrwöchigen Pause ging die Arbeit an der zweiten Folge stetig voran. Im Sommer 1800 waren die Quartette vier bis sechs vollendet, doch nun war Beethoven plötzlich mit den ersten drei nicht mehr zufrieden. Seine Technik hatte sich inzwischen verfeinert und sein Verständnis für die Gattung weiter vertieft, weshalb er die Erstlinge jetzt als unausgereift empfand. Er musste sie umschreiben, obwohl das mehrere Monate zusätzlicher Arbeit bedeutete. Im Oktober konnte er Lobkowitz dann endlich den vollständigen Zyklus einschließlich einer neuen Version der ersten drei Quartette überreichen und erhielt fast umgehend weitere 200 Gulden Honorar.
Es verging noch mehr als ein Jahr, bis die Quartette vom Verlag T. Mollo et Comp. gedruckt wurden. Erstens lag das natürlich daran, dass Lobkowitz für mindestens sechs Monate die alleinigen Rechte besaß. Doch es gab noch einen anderen Grund: Beethoven wollte weiter an diesen Stücken feilen. Es hatten schon mehrere
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