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Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Titel: Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Caeyers
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Charmant-Unverbindlichen, das zu einer Musik für adlige Dilettanten gehörte.

9
    Der Weg zum breiten Publikum
    Beethoven wusste, dass er mit seinen «gelehrten» Streichquartetten op. 18 nur einen kleinen, elitären Kreis überwiegend adliger Kenner ansprach. Und er war sich darüber im Klaren, dass es für einen Komponisten mindestens ebenso wichtig war, ein breiteres Publikum für sich zu gewinnen. Weil ihm die Türen der Oper vorerst verschlossen blieben, konnte er dieses breitere Publikum nur mit einer anderen «großen» Gattung erreichen, der Sinfonie. Diese Bedeutung hatte die Sinfonie noch nicht sehr lange. In der aristokratischen Musikkultur war sie eher eine Randerscheinung, ein Gelegenheitswerk, weshalb es für Komponisten früher nicht viel Sinn gehabt hätte, sich mit ihr profilieren zu wollen. Haydn hatte hier Neuland betreten: Mit den Pariser und später vor allem den Londoner Sinfonien hatte er das Modell der großen Sinfonie geschaffen, die bald die Konzertprogramme dominierte und das moderne, bürgerliche Publikum begeisterte.
    Die Sinfonie entwickelte sich zur Königsdisziplin der Instrumentalkomposition, sie wurde länger und komplexer und gewann inhaltlich und ästhetisch an Gewicht; dass die vier Sätze oft noch über den ganzen Abend verteilt gespielt wurden, ändert daran nichts. Eine Folge dieser Aufwertung war allerdings, dass im 19. Jahrhundert nicht wenige Komponisten vor den besonderen Anforderungen der Gattung zurückschreckten und sich von ihren Schwierigkeiten entmutigen ließen.
    Auch Beethoven erging es so. Schon im Frühjahr 1795 trug er sich mit Plänen für eine Sinfonie. Nach einigen Monaten waren die langsame Einleitung und die Exposition des ersten Satzes skizziert. Während seines Berlin-Aufenthalts im Frühjahr 1796 nahm er die Arbeit wieder auf – vielleicht, weil er hoffte, seine erste Sinfonie in der preußischen Hauptstadt aus der Taufe heben zu können –, aber er kam nur mühsam voran. Insgesamt entstanden drei neue Entwürfe zur Einleitung und zwei zum ersten Allegro, außerdem ein Entwurf für den zweiten (langsamen) Satz und das Menuett. Die Arbeit geriet ins Stocken, als er sich dem Finalsatz zuwandte. Die Tradition verlangte einen leichtfüßigen Schlusssatz von eingängigem, tänzerischem und virtuos-brillantem Charakter, doch Beethoven hatte den doppelten Ehrgeiz, den letzten Satz als dramatischen Gegenpol zum ersten und als würdigen Abschluss der gesamten Sinfonie zu gestalten. Ein Gleichgewicht zwischen den beiden Ecksätzen war umso notwendiger, als Beethoven die vier Sätze unbedingt in einem Zug, als ein großes Ganzes, aufführen wollte – damals, wie schon gesagt, alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Auch bei seinen späteren Sinfonien kämpfte er mit diesem Balanceproblem und musste jedes Mal nach einer neuen, speziellen Lösung suchen, bis hin zur Textvertonung in der 9. Sinfonie. Im Jahr 1796 fand er noch kein Rezept und gab auf.
    Erst im Winter 1799 verfolgte er seinen Plan weiter. Vermutlich glaubte er, in Kürze eine eigene Akademie veranstalten zu können, und wenn er sich dabei als Pianist und Komponist präsentieren wollte, war es ratsam, bald eine Sinfonie fertigzustellen. Die ersten drei Sätze entwarf er völlig neu, und gerade deshalb kam er nun ohne große Mühe voran. Beim Finalsatz griff er dagegen auf das thematische Material zurück, mit dem er die Sinfonie ursprünglich hatte eröffnen wollen. Das war eine richtige Eingebung, weil dieses Material für ein Finale, wie er es sich vorstellte, tragfähig genug war. Damit war die größte Hürde genommen.
    Eine Sinfonie zu komponieren ist das eine, sie auch zur Aufführung zu bringen etwas ganz anderes – besonders im Wien des Jahres 1800. Noch gab es ja kein öffentliches Konzertwesen, das sich mit dem von London oder Paris hätte vergleichen lassen. Wie schon erwähnt, gab es für einen Komponisten nur eine realistische Möglichkeit, sich den Weg zum breiten Publikum zu bahnen: Er musste selbst eine Akademie im Burgtheater oder Kärntnertortheater veranstalten. Doch abgesehen davon, dass der organisatorische Aufwand und das finanzielle Risiko groß waren, war es fast unmöglich, einen der beiden Säle überlassen zu bekommen. Den Schlüssel zu ihnen hatte nämlich Freiherr von Braun in den Händen, der Pächter der beiden Theater, ein neureicher, vor kurzem geadelter Textilindustrieller von begrenztem musikalischen Talent, der sich für das Scheitern seiner eigenen

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