Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)
ehemaliger Lehrer, nämlich Haydn. Ungefähr zur gleichen Zeit komponierte Beethoven eine Folge von Variationen über «La stessa, la stessima» (WoO 73), einen Ohrwurm aus Salieris Oper Falstaff. Vermutlich wollte er von dem Erfolg dieser tragikomischen Oper profitieren, bestimmt aber auch Salieri eine Freude machen.
Wie alle freundschaftlichen Beziehungen Beethovens blieb auch das Verhältnis zu Salieri nicht ganz ungetrübt. Im Jahr 1808 hat er ihn sogar beschuldigt, seine große Akademie vom 22. Dezember durch eine Konkurrenzveranstaltung der Tonkünstler-Sozietät sabotiert zu haben, was ganz offensichtlich den Tatsachen widersprach. Eher hätte man nämlich das Gegenteil behaupten können; Salieri musste den Eindruck haben, dass Beethoven es darauf anlegte, ihm Zuhörer abspenstig zu machen. Im Großen und Ganzen scheint das Verhältnis aber sehr gut gewesen zu sein. Beethoven hat seinen früheren Lehrer sogar noch im Zusammenhang mit seiner Oper Leonore um Rat gebeten – den er dann souverän in den Wind schlug –, und Moscheles berichtete, dass er 1810 auf Salieris Schreibtisch einen Zettel mit der Nachricht «Der Schüler Beethoven war da!» gefunden habe.[ 53 ] Und es entbehrt nicht einer gewissen Komik, dass Salieri im Dezember 1813 an zwei Aufführungen von Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria in der Universität als Hilfsdirigent mitwirkte: Der fast fünfundsechzigjährige Hofkapellmeister dirigierte damals die Trompeten und das Schlagwerk, die – in seitlichen Gängen platziert – die englischen und französischen Signale und das Artillerie- und Gewehrfeuer darstellten.
Als im Oktober 1823 der schwer erkrankte und verwirrte Salieri ins Wiener Allgemeine Krankenhaus eingeliefert worden war, wurde Beethoven von Schindler sofort verständigt. Schindler erzählte ihm dann auch, dass Salieri sich selbst bezichtige, Mozart vergiftet zu haben. Beethoven schenkte dieser Geschichte keinen Glauben. Er kannte Salieri gut genug, um zu wissen, dass er eine solche Tat nie begangen haben würde, abgesehen davon, dass er auch kein Motiv dafür gehabt hätte.
VIERTER TEIL
Masse und Macht
(1809 – 1816)
11
K. K.: Kongress-Kitsch
Die Arbeit an Fidelio wurde kurz für ein patriotisches Intermezzo unterbrochen. Am 11. April 1814 wurde im Kärntnertortheater das Singspiel Die gute Nachricht uraufgeführt, das die Kapitulation von Paris und den Sturz Napoleons bejubelte. Treitschke hatte mit diesem Gelegenheitswerk schon vor dem 9. April begonnen, dem Tag, an dem die «gute Nachricht» Wien erreichte. Er war offensichtlich nicht nur ein guter Bühnenautor und Regisseur, sondern hatte auch eine Nase für aktuelle politische Entwicklungen. Trotzdem blieb nicht viel Zeit für die Fertigstellung des Singspiels, so dass man gleich mehrere populäre Komponisten daran beteiligen musste; immerhin wurde das Stück dadurch für das Publikum noch interessanter. Angesichts der allgemeinen Begeisterung für Wellingtons Sieg durfte Beethovens Name auf den Plakaten nicht fehlen. Während er es früher grundsätzlich abgelehnt hatte, sich die Arbeit, die Ehre und den Gewinn mit Kollegen zu teilen, fand sich Beethoven in diesem Fall ohne weiteres zu einer Zusammenarbeit mit Gyrowetz, Hummel, Kanne und Weigl bereit und verzichtete sogar auf ein Honorar. Vielleicht hatte der ungeheure Erfolg der Wellington-Musik diese Art von Aufträgen in seinen Augen etwas aufgewertet. Dennoch bleibt es ein wenig seltsam, dass derselbe Mann, der zwei Jahre zuvor noch eine abfällige Bemerkung über Goethes Behagen an «Hofluft» gemacht hatte, jetzt eine bombastische Hymne voll leerer Floskeln und emphatischer Orgelpunkte zu Texten wie «Kaiser Franz! Victoria!» und «Germania» komponierte.
Die Welle nationaler Begeisterung eröffnete Chancen, die offenbar auch Beethoven nicht verpassen wollte. Wien sollte im Herbst zur Bühne eines diplomatischen Großspektakels mit allen europäischen Herrschern oder Regierungschefs und zahllosen niederen Chargen werden, und Beethoven witterte die Gelegenheit, dabei auf sich aufmerksam zu machen und möglicherweise das eine oder andere Angebot aus dem Ausland zu ergattern. Zum ersten Mal seit Jahren blieb er fast den ganzen Sommer in Wien; er plante, ein paar Akademien zu veranstalten, und unternahm im August die dafür notwendigen Schritte.
Obwohl die österreichischen Armeen in den vergangenen Jahren keinen Schuss zu viel abgefeuert hatten, durfte Außenminister Metternich als Regisseur
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