Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)
vorstand, also der oberste Verantwortliche für das kulturelle Begleitprogramm des Kongresses war. Trauttmansdorff sorgte zum Beispiel dafür, dass einige der wichtigsten Teilnehmer (unter anderem der Zar und der preußische König) am 26. September 1814, nur wenige Tage nach ihrer Ankunft in Wien, eine Vorstellung von Fidelio besuchten. Ob die hochgestellten Gäste mehr von Beethovens Oper begriffen haben als im Jahr 1805 die französischen Soldaten bei der Uraufführung von Leonore, ist ungewiss. Für den Namenstag des Kaisers am 4. Oktober sollte Beethoven eine Ouvertüre komponieren. Obwohl er schon einiges an Material gesammelt hatte – unter anderem ein paar Themenentwürfe zu Textzeilen aus Schillers «Ode an die Freude» –, wurde das Stück nicht rechtzeitig fertig.[ 133 ] Der Kaiser hat dann an seinem Namenstag einer weiteren Fidelio -Aufführung beigewohnt. Außerdem durfte Beethoven drei Akademien im großen Redoutensaal der Hofburg veranstalten; die erste, am 29. November, wurde durch die Anwesenheit aller hochrangigen Teilnehmer des Kongresses zu einem gesellschaftlichen Großereignis. Der Termin für dieses Konzert war aus verschiedenen Gründen dreimal verschoben worden, was für Beethoven unerfreuliche Folgen haben sollte. Graf Pálffy, einer der wenigen verbliebenen Angehörigen des Konsortiums, das 1807 die Verwaltung der Hoftheater übernommen hatte, versuchte wegen des immensen Defizits der Theater auch aus der Vermietung der Hofburg-Säle so viel wie möglich herauszuschlagen. Er hatte von Anfang an ein Drittel der Einnahmen Beethovens verlangt; als er aber den großen Redoutensaal innerhalb kurzer Zeit dreimal neu reservieren musste, erhöhte er den Preis auf die Hälfte des Erlöses. Erst nach einem höflichen, aber deutlichen Brief Trauttmansdorffs, in dem Pálffys Forderung als «überspannt», unangemessen und schädlich für den Ruf Wiens als kulturfreundliche Stadt bezeichnet wurde, bekam Beethoven den Saal zu günstigeren Konditionen: kostenlos.[ 134 ]
Am 29. November strömten nicht weniger als 1500 Menschen in die Hofburg, um ein Mittagskonzert nur mit Werken Beethovens zu erleben. Auf dem Programm standen neben der 7. Sinfonie und der unvermeidlichen Wellington-Musik eine eigens zu diesem Anlass komponierte Kantate: «Der glorreiche Augenblick» op. 136. Der schwülstige Text, den der Salzburger Chirurg und Professor der Veterinärmedizin Aloys Weißenbach für Beethoven geschrieben hatte, war politisch korrekt («Franz» reimt sich auf «Glanz»), aber so erbärmlich, dass Beethoven den erfahreneren Dichter Karl Bernard bitten musste, ihn von Grund auf zu überarbeiten. Das Werk rühmt in sechs Sätzen die Stadt Wien («Vindobona, Heil und Glück») und die Einigkeit der versammelten Staatsoberhäupter – was geradezu zynisch anmutet, kämpften doch eben diese Staatenlenker in Hinterzimmern verbissen um jeden Krümel europäischen Bodens. Beethoven hat das Machwerk schnell und routiniert vertont, doch das Ergebnis wirkt durch und durch unproportioniert, obwohl gerade die richtige Proportionierung sonst zu seinen Stärken gehörte. Ebenso belanglose wie knappe musikalische Gedanken werden endlos ausgewalzt. Abgesehen von ein paar flüchtigen Momenten mit subtilerer Gestaltung klingt «Der glorreiche Augenblick» uninspiriert, zusammenhanglos, anspruchslos und bombastisch. Aber man wollte nichts anderes, niemanden störte dieser Mangel an musikalischem Tiefgang, das Publikum spendete stürmischen Beifall. Allerdings ist nicht ganz klar, wem der Applaus eigentlich galt; als das Konzert drei Tage später in Abwesenheit der Monarchen wiederholt wurde, war das Interesse sehr gering. Das dritte Konzert wurde abgesagt, und so war das ganze Projekt für Beethoven finanziell eine herbe Enttäuschung.
Sein Ansehen bei den gekrönten Häuptern war aber weiter gestiegen, und bei einem Empfang Alexanders I. in den Räumen Erzherzog Rudolphs rissen sich die Würdenträger darum, dem großen Meister die Hand drücken zu können – ein Gespräch mit ihm zu führen, war kaum noch möglich. Beethoven ließ sich all das gern gefallen. Besonders das mehr als gewöhnliche Interesse, das ihm die Gattin des Zaren entgegenbrachte, schmeichelte seinem Ego. Als Elisabeth Alexejewna, übrigens eine gebürtige Prinzessin von Baden, ihn um eine Klavierkomposition bat, erfüllte er ihr gern diesen Wunsch. Er schrieb für sie die Polonaise in C-Dur op. 89 – eine recht offensichtliche Anspielung,
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