Befehl von oben
wurden die blind.
»Cathy, ich glaube, es ist an der Zeit, daß ich dir ein paar von den Dingen erzähle, die ich über die Jahre am Hälse hatte, ja, Golowko hatte einmal eine Pistole an meinem Kopf, auf einer der Start- und Landebahnen des Moskauer Flughafens, weil ich mitgeholfen hatte, daß zwei ranghohe Russen aus ihrem Land türmen konnten. Einer davon war sein Boß beim KGB.«
Das ließ sie aufschauen und erneut an die Alpträume denken, die ihren Mann vor einigen Jahren monatelang gequält hatten. »Und wo ist der jetzt?«
»Im Gebiet von D. C, wo genau, hab' ich vergessen, Winchester, Virginia, glaube ich.« Jack erinnerte sich vage daran, gehört zu haben, daß die Tochter, Katryn Gerasimow, dort mit einem reichen Fatzken aus einer alten Grundbesitzer-Dynastie verlobt war und so von einer Art von hohem Stand zu einer anderen gewechselt war. Na ja, das Stipendium, das der CIA der Familie bezahlt hatte, war auch groß genug gewesen, sich einen sehr komfortablen Lebensstil leisten zu können.
Cathy war die Scherze ihres Gatten gewohnt. Wie die meisten Männer erzählte er gern amüsante kleine Geschichten, deren Humor in der Übertreibung steckte – außerdem war er irischer Abstammung. Doch jetzt stellte sie fest, daß diese Offenbarung so beifällig klang wie ein Bericht über Baseballergebnisse. Er konnte nicht sehen, wie sie auf seinen Hinterkopf starrte. Ja, sagte sie sich, als die Kinder ins Zimmer kamen, diese Geschichten würde ich ganz gern hören.
»Daddy!« rief Katie, die Jack zuerst sah. »Mommy!« Und damit endete die morgendliche Routine oder änderte sich in etwas augenblicklich Wichtigeres als Nachrichten und Ereignisse aus aller Welt. Katie, die bereits ihre Schulkleidung anhatte, konnte wie alle kleinen Kinder immer mit guter Laune aufwachen.
»Hi!« sagte Sally, die als nächste kam, deutlich verärgert.
»Was ist denn los?« fragte Cathy ihre ältere Tochter.
»Die vielen Leute da draußen! Man kann sich hier keinen Schritt bewegen, ohne daß man immerzu gesehen wird!« sagte sie mürrisch und nahm sich ein Glas Orangensaft vom Tablett. Und diesen Morgen hatte sie keine Lust auf Frosted Flakes. Lieber hätte sie Just Right gehabt.
Aber diese Schachtel befand sich unten in der großen Küche des White House. »Man kommt sich hier ja vor wie in einem Hotel statt wie in einer privaten Wohnung.«
»Was ist's denn heute für eine Klassenarbeit?« fragte Cathy, die die Signale richtig deutete.
»Mathe«, gab Sally zu.
»Hast du gelernt?«
»Ja, Mom.«
Jack ignorierte das Problem und kümmerte sich um Katie, die Frosted Flakes mochte. Als nächster kam Klein Jack, schaltete den Fernseher an und wählte den Zeichentrick-Kanal für seine morgendliche ›Road Runner and Coyote‹-Ration, was Katie ebenfalls recht war.
Außerhalb der Familienräume begann auch für alle anderen der Tag.
Ryans persönlicher NIO legte gerade letzte Hand an den so gefürchteten morgendlichen Nachrichtenüberblick. Der Präsident war ja schwer zufriedenzustellen. Der Chef des Hauspersonals war schon früh da, um Renovierungsarbeiten in den offiziellen Räumen zu überwachen. Im Schlafzimmer des Präsidenten legte der Kammerdiener Sachen für POTUS und FLOTUS heraus. Draußen warteten die Autos, die die Kinder zur Schule brachten. Beamte der Maryland State Police kontrollierten bereits die Strecke nach Annapolis. Die Marines ließen ihren Hubschrauber für den Flug nach Baltimore warmlaufen – dieser Punkt hatte noch keine andere Lösung gefunden.
*
Gus Lorenz war frühzeitig in seinem Büro wegen eines Rückrufs aus Afrika, als Antwort auf seinen Anruf aus Atlanta. Wo, wollte er wissen, waren seine Affen? Sein Einkaufsagent erklärte ihm über acht Zeitzonen hinweg, daß, weil die CDC sich mit dem Geld zuviel Zeit gelassen hatten, jemand anders die Ladung aufgekauft hatte und daß erst wieder welche eingefangen werden mußten. Eine Woche könnte das dauern, erklärte er dem Arzt in Amerika.
Lorenz murrte. Er hatte gehofft, diese Woche mit der neuen Studie beginnen zu können. Er schrieb eine Notiz auf die Schreibtischunterlage und fragte sich, wer, zum Teufel, so viele ›African Greens‹ gekauft haben könnte. Ob wohl Rousseau in Paris etwas Neues anfing? Er würde ihn diesbezüglich anrufen, nach der morgendlichen Besprechung. Die gute Nachricht war, wie er sah, daß … ach, das war furchtbar. Der zweite Patient war durch einen Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, besagte ein Telex von der WHO.
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