Befehl von oben
selbst zugefügt – aber nicht so, nicht so schlimm. Es war, als ob er jetzt für jeden solchen Vorfall auf einmal bezahlen müßte. Sein Körper war von Kopf bis Fuß vom Schmerz zerfressen. Saleh war unheimlich stark, er hatte feste Muskeln, und seine Fitneß war offensichtlich. Jetzt aber nicht. Nun schmerzte jedes Gramm Gewebe, und wenn er sich leicht bewegte, um den Schmerz zu lindern, so verlagerte er ihn lediglich an eine geringfügig andere Stelle. Die Pein war so groß, daß sie sogar die Angst ausblendete, die damit hätte einhergehen sollen.
Nicht beim Arzt. Ian MacGregor trug vollständige Schutzkleidung, eine Gesichtsmaske und Handschuhe – nur seine Konzentration bewahrte die Hände davor, zu zittern. Er hatte soeben so sorgfältig wie noch nie in seinem Leben Blut entnommen, behutsamer sogar als bei AIDS-Patienten. Er hatte noch nie mit einem Fall von hämorrhagischem Fieber zu tun gehabt. Es war für ihn nichts weiter als ein Eintrag in einem Lehrbuch oder ein Artikel in Lancet gewesen. Etwas Fesselndes und vage Furchteinflößendes – aber dies war hier und jetzt.
»Saleh?« fragte der Arzt.
»… ja.« Ein Wort, ein Ächzen.
»Wie sind Sie hierhergekommen? Ich muß das wissen, wenn ich Ihnen helfen soll.«
Es gab kein inneres Zögern, keine Bedenken vor Geheimnissen oder Sicherheitsrücksichten. Er hielt nur inne, um Luft zu holen, um die Energie für die Beantwortung der Frage zu sammeln. »Aus Bagdad. Flieger«, fügte er unnötigerweise hinzu.
»Afrika? Sind Sie in letzter Zeit in Afrika gewesen?«
»Noch nie.« Der Kopf ruckte kaum einen Zentimeter von links nach rechts, die Augen waren fest geschlossen. Der Patient versuchte, tapfer zu sein, was ihm größtenteils gelang. »Erstes Mal Afrika.«
»Haben Sie in letzter Zeit sexuelle Beziehungen gehabt? Letzte Woche oder so?« verdeutlichte MacGregor. Solche Krankheiten konnte einer theoretisch durch sexuellen Kontakt bekommen – vielleicht eine Prostituierte von hier? Vielleicht gab es noch so einen Fall an einem anderen Krankenhaus, und der wurde vertuscht …?
Es verging ein Moment, bis er die Frage kapierte, doch dann kam wieder ein Kopfschütteln. »Nein, keine Frauen seit langer Zeit.« MacGregor las vom Gesicht ab: Nie wieder, nicht für mich.
»Haben Sie in letzter Zeit Blut erhalten?«
»Nein.«
»Sind Sie mit jemand in Berührung gekommen, der gereist war?«
»Nein, nur Bagdad, nur Bagdad. Ich bin Sicherheitsmann für meinen General, immer bei ihm, sonst nichts.«
»Dankeschön. Wir werden Ihnen etwas gegen die Schmerzen geben.
Wir werden Ihnen auch Blut geben und Sie mit Eis zu kühlen versuchen. Ich werde gleich wieder dasein.« Der Patient nickte, und der Arzt verließ das Zimmer mit den blutgefüllten Röhrchen in den behandschuhten Händen. »Verfluchte Zucht«, zischte MacGregor.
Während die Schwestern und Krankenwärter ihre Arbeit taten, hatte MacGregor seine zu erledigen. Eine der Blutproben teilte er in zwei auf, die er beide mit größter Sorgfalt verpackte, eine für das Pasteur-Institut in Paris und die andere für Centers for Disease Control in Atlanta. Sie würden als eilige Luftfracht abgehen. Der Rest ging an seinen ersten Labortechniker, einen fähigen Sudanesen, während der Doktor ein Fax aufsetzte. Möglicher Fall von hämorrhagischem Fieber, würde darin stehen, plus Angaben zu Land, Stadt und Krankenhaus – aber zuerst … Er nahm den Hörer ab und rief seinen Verbindungsmann im Gesundheitsministerium der staatlichen Gesundheitsbehörde an.
»Hier?« fragte der Regierungsarzt. »In Khartum? Sind Sie sicher?
Wo ist der Patient her?«
»Da liegen Sie richtig«, erwiderte MacGregor. »Der Patient sagt, er sei aus dem Irak gekommen.«
»Irak? Wieso sollte diese Krankheit von dort kommen? Haben Sie nach den richtigen Antikörpern getestet?« wollte der Beamte wissen.
»Der Test wird gerade durchgeführt«, sagte der Schotte dem Afrikaner.
»Wie lange?«
»Eine Stunde.«
»Bevor Sie irgendwelche Meldungen machen, möchte ich rüberkommen und es sehen«, ordnete der Beamte an.
Es unter seine Aufsicht nehmen, sollte das wohl heißen. MacGregor schloß die Augen und packte den Hörer fester. Dieser vermeintliche Arzt war ein Regierungsangestellter, der Sohn eines langgedienten Ministers, und das Beste, was sich über diesen Berufskollegen sagen ließ, war, daß er keine lebenden Patienten gefährdete, solange er gemütlich in seinem Büro sitzenblieb. MacGregor mußte sich bemühen,
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