Befehl von oben
zählte der Zugang immer noch, weil das Netzwerk über viele Stimmen verfügte und es immer noch offene Ohren gab. Es würde keinen Plan und keine Verschwörung per se geben. Es würde alles ganz natürlich ablaufen oder so natürlich wie alles bisher hier. Tatsächlich hatte es bereits begonnen.
*
Für Badrayn war es wieder Zeit für seinen Computer. Er erfuhr, daß bei diesem Auftrag der zeitliche Ablauf kritisch war. Das war oft so, aber in diesem Fall gab es hierfür einen neuen Grund. Die Reisezeit selbst mußte knapp gehalten, nicht so sehr arrangiert werden, um eine spezifische Frist oder Begegnung einzuhalten. Der einschränkende Faktor war hier, daß der Iran immer noch so etwas wie ein ausgegrenztes Land war, von dem aus es überraschend wenig Flugverbindungen gab.
Flüge mit günstigen Zeiten waren verblüffend begrenzt: – KLM 534 nach Amsterdam flog kurz nach 1 Uhr früh ab und kam, nach einer Zwischenlandung, um 6.10 Uhr in Holland an; – der Nonstopflug Lufthansa 601 ging um 2.55 Uhr und erreichte Frankfurt um 5.50 Uhr; – Flug Austrian Airlines 774, Abflug 3.40 Uhr, ging nonstop nach Wien, wo er um 6 Uhr eintraf; – Air France 165 flog um 5.25 Uhr ab, traf am Charles de Gaulle um 9 Uhr ein; – British Airways 102 ging um 6 Uhr, eine Zwischenlandung, landete um 12.45 Uhr in Heathrow; – Aeroflot 516 ging um 3 Uhr nach Moskau, Ankunft 7.10 Uhr.
Nur einer nonstop nach Rom, keine Direktflüge nach Athen, nicht einmal nach Beirut! Er könnte seine Leute auch über Dubai fliegen lassen – bemerkenswert: Emirates Airlines flog von Teheran ihren Heimathafen an, so auch die Fluggesellschaft Kuwaits, aber die, dachte er, wären keine gute Idee.
Bloß eine Handvoll Flüge nutzbar, alle leicht von fremden Geheimdiensten zu observieren. Sie hätten entweder eigene Leute an Bord, oder das Bordpersonal würde unterwiesen werden, wonach es suchen und wie es Meldung machen sollte, während der Flieger noch in der Luft war.
Also ging es doch nicht um Zeit allein.
Die ausgesuchten Leute waren gut, meist gebildet. Sie wußten sich respektabel zu kleiden, Unterhaltungen zu führen oder zumindest auch höflich abzulehnen – auf internationalen Flügen war es am einfachsten, ein Schlafbedürfnis vorzuschützen, das oft nicht vorgetäuscht war. Aber nur ein Fehler, und die Konsequenzen wären gravierend. Das hatte er ihnen eingeschärft.
Badrayn war noch nie zuvor eine solche Mission anvertraut worden, und die geistige Herausforderung war bemerkenswert. Bloß eine Handvoll wirklich brauchbarer Flüge, und der nach Moskau war wohl nicht so attraktiv. Die Tore zur Welt wie London, Frankfurt, Paris, Wien und Amsterdam mußten genügen – und je ein Flug pro Tag. Das gute dabei war, daß alle fünf eine breite Auswahl an Anschlüssen an amerikanische Gesellschaften boten. Und so würde eine Gruppe den 601 nach nehmen, dort würden sich einige über Brüssel (Sabena nach New York-JFK) und Paris (Air France nach Washington/Dulles, Delta nach Atlanta, American Airlines nach Orlando, United nach Chicago) über mehrere zeitlich passende Anschlußflüge verteilen. Andere dagegen würden die Lufthansa nach Los Angeles nehmen. Die Gruppe bei British Airways hatte die meisten Möglichkeiten von allen. Einer würde Concorde-Flug 3 nach New York nehmen. Das Ganze hing davon ab, sie durch die erste Reihe der Flüge zu bringen. Danach würde das gewaltige System des internationalen Flugverkehrs für die Verteilung sorgen.
Immer noch zwanzig Leute, zwanzig mögliche Fehler. Die Geheimhaltung eines Unternehmens bereitete immer Sorgen. Er hatte sein halbes Leben damit verbracht, die Israelis auszutricksen, und während sein Weiterleben ein gewisser Beweis seines Erfolgs – oder nicht völligen Versagens, ehrlicher gesagt – war, hatten ihn die enormen Hürden, die er hatte überwinden müssen, mehr als einmal beinahe um den Verstand gebracht. Nun gut. Wenigstens hatte er die Flüge beisammen. Morgen würde er sie einweisen. Er sah auf die Uhr. Morgen war so weit nicht mehr weg.
Nicht jeder Insider schloß sich der Allgemeinheit an. Jede Gruppe hatte ihre Zyniker und Rebellen. Dann gab es auch noch Wut. Die nahmen die Angelegenheit, wenn ihnen bei ihren Anstrengungen andere Mitglieder zuvorgekommen waren, oft gelassen hin – sie konnten immer noch später gleichziehen und einstweilen noch Freunde bleiben, aber nicht immer. Das galt besonders für Medienvertreter, die sowohl zur Gesellschaft gehörten als auch
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