Befehl von oben
berichtete der Leiter der Abteilung für Politik Amerikas.
»Wird er überleben?«
»Unser Botschafter glaubt das, und der Rezidjent stimmt ihm zu, aber beide glauben, daß er das Ruder kaum festhalten kann. Ein klassisches Durcheinander. Amerika war immer auf die glatte Übergabe der Regierungsmacht stolz, aber die Gesetze dort haben solche Ereignisse, wie wir sie gesehen haben, nicht bedacht. Er kann nicht entscheidend gegen seinen politischen Gegner vorgehen …«
»Was Kealty tut, ist Staatsverrat«, bemerkte Golowko; der war in Rußland schon immer hart bestraft worden. Selbst die Erwähnung genügte, um die Temperatur im Raum merklich zu senken.
»Nicht nach ihren Gesetzen, aber meine Rechtsexperten sagen mir, daß der Streitfall verworren genug ist, daß es keinen klaren Sieger geben wird, und in so einem Fall bleibt Ryan an der Macht aufgrund seiner Position – er ist als erster dagewesen.«
Golowvko nickte, aber seine Miene war entschieden unglücklich. Roter Oktober und die Gerasimow-Geschichte hätten nie an die Öffentlichkeit gelangen dürfen. Er und seine Regierung hatten letzteres gewußt, aber ersteres nur vermutet. Bei der U-Boot-Affäre hatte die amerikanische Maskirowka ausgezeichnet funktioniert – das also war die Karte gewesen, die Ryan ausgespielt hatte, damit Kolya überlief. Es mußte so sein. Aus der zeitlichen Distanz ergab alles einen Sinn, und es war ein hervorragendes Spiel gewesen. Bis auf eines: Es war auch in Rußland bekanntgeworden, und nun durfte er mit Ryan nicht mehr direkt in Kontakt treten, bis der diplomatische Schaden abgeschätzt war.
Amerika tat etwas. Er wußte noch nicht, was, und anstatt sich mit einem Anruf zu erkundigen und vielleicht eine aufrichtige Antwort zu erhalten, mußte er warten, bis seine Leute es selber ermittelten. Das Problem war der Schaden für die amerikanische Regierung und Ryans Angewohnheit, beim CIA geübt, mit einer kleinen Gruppe zu arbeiten, statt die gesamte Bürokratie wie ein Symphonieorchester zu dirigieren. Sein Instinkt sagte ihm, Ryan würde kooperieren, würde einstigen Feinden im gegenseitigen Interesse vertrauen, aber eines hatte der Verräter Kealty – wer sonst hätte der dortigen Presse die Geschichten erzählt! – erreicht: ein politisches Patt zu erzeugen. Politik!
Politik war einst Mittelpunkt von Golowkos Leben gewesen. Als Parteimitglied seit seinem achtzehnten Lebensjahr hatte er Lenin und Marx mit der Inbrunst eines Theologen studiert, und obwohl sich die Inbrunst mit der Zeit in etwas anderes verwandelt hatte, hatten diese logischen, aber närrischen Theorien doch sein Erwachsenenleben bestimmt, bis sie sich verflüchtigten, ihm aber zumindest einen Beruf gelassen hatten, in dem er brillierte. Ihm war es gelungen, seine frühere Abneigung gegen Amerika mit historischen Begriffen zu rationalisieren: zwei Großmächte, zwei gewichtige Allianzen, zwei unterschiedliche Philosophien, die in perversem Einklang den letzten großen Weltkonflikt ausgefochten hatten. Nationalstolz ließ ihn immer noch wünschen, daß sein Land gewonnen hätte, aber wichtig war, daß der Kalte Krieg aus war und damit die tödliche Konfrontation zwischen Amerika und seinem Land. Nun konnten sie wirklich gemeinsame Interessen erkennen und auch mal kooperieren. Es war ja schon geschehen. Iwan Emmetowitsch hatte ihn beim amerikanischen Konflikt mit Japan um Hilfe ersucht, und gemeinsam hatten die beiden Länder ein lebenswichtiges Ziel erreicht – was immer noch geheim war. Warum, zum Teufel, dachte Golowko, hätte der Verräter Kealty nicht dieses Geheimnis verraten können? Aber nein, jetzt war sein Land in Verlegenheit, und während die seit neuestem freien Medien mit dieser Story wie die Amerikaner – vielleicht sogar mehr – auftrumpften, war er nicht in der Lage, einen einfachen Anruf zu tätigen.
Jene Schiffe ließen ihre Maschinen aus bestimmtem Grund warmlaufen. Ryan unternahm oder beabsichtigte etwas. Und er mußte wieder den Spion spielen, gegen einen anderen Spion agieren, anstatt mit einem Verbündeten zusammenzuarbeiten. Nun, es ging nicht anders.
»Bilden Sie eine Sonderstudiengruppe für den Persischen Golf. Alles was wir haben, stellen Sie so schnell wie möglich zusammen. Amerika muß irgendwie auf die entstehende Lage reagieren. Erstens müssen wir darüber befinden, was im Gange ist. Zweitens, was Amerika womöglich weiß. Drittens, was Amerika unternehmen will. Dieser General G. J.
Bondarenko, der soll sich
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