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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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ruhigen Augen wünschte er sich ein paar Abteilungen mit Marines an den Schauplatz. Er hatte schon gehört, daß Verbrecher, die Kindern etwas angetan hatten, im Gefängnis sehr hart angefaßt wurden, aber das reichte nicht halb an das ran, was Marines machen würden, wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen. Hier endete auch wieder seine Träumerei. Er blickte sich nicht mal um nach den beiden Kindern. Er mußte seinen Heli fliegen. Das war seine Pflicht. Er mußte auf andere vertrauen, daß sie auch ihre erfüllten.
    Sie blickten jetzt aus den Fenstern, sehr vorsichtig. Der Verwundete lehnte sich an die Wand – war wohl die Kniescheibe, sah O'Day; gut! –, und der andere riskierte einen Blick um die Ecke. Es war nicht schwer zu erraten, was er sah. Sirenen kündigten die Ankunft von Polizeiautos an. Okay, wahrscheinlich bildeten sie gerade ihren Schutzkordon. Mrs. Daggett und ihre drei Helferinnen hatten die Kleinen jetzt alle zusammen in eine Ecke getrieben, während die beiden Täter sich besprachen.
    Gut, dachte O'Day. Sie kamen nicht so toll zurecht. Einer von ihnen hielt die ganze Zeit mit den Augen und der Mündung das Zimmer in Schach, aber sie hatten noch nicht …
    Gerade da langte einer in seine Hemdtasche und zog ein Foto heraus.
    Er sagte noch etwas in seiner unverständlichen Sprache. Dann klappte er die Fensterläden zu. Verdammt. Dadurch würden Gewehre mit Zielfernrohren keinen Einblick mehr erhalten. Sie waren also clever genug, um zu wissen, daß einfach geschossen werden konnte. Nur wenige Kinder waren so groß, daß sie herausschauen und …
    Der mit dem Foto hielt dieses wieder hoch und ging auf die Kinder zu. Er deutete auf ein Mädchen.
    »Diese.«
    Seltsamerweise schienen sie erst jetzt O'Day im Zimmer zu bemerken. Der mit dem Knieschuß blinzelte und zielte mit seiner AK auf ihn.
    Der Inspektor nahm die Hände von der Brust seiner Tochter und hielt sie hoch.
    »Sind schon genug Leute verletzt worden, Kumpel«, sagte er. Er mußte sich nicht weiter drum bemühen, daß seine Stimme unsicher klang. Er hatte auch einen Fehler gemacht, indem er Megan so hielt.
    Dieser Arsch könnte durch sie hindurchschießen, um an ihn zu kommen, erkannte er, während bei dem Gedanken eine plötzliche Welle der Übelkeit durch seinen Bauch schoß. Langsam, behutsam hob er sie hoch und setzte sie von seinem Schoß nach links auf den Boden.
    »Nein!« Das war Marlene Daggetts Stimme.
    »Bring sie her!« beharrte der Mann.
    Tu, was er sagt, dachte O'Day. Heb dir deinen Widerstand für dann auf, wenn er was bringt. Aber seine Gedanken konnte sie nicht hören.
    »Bring sie her!« wiederholte der Schütze.
    »Nein!«
    Der Mann schoß Daggett aus einem Meter Entfernung in die Brust.
    »Was war das?« knurrte Price. Über den Ritchie Highway kamen jetzt Krankenwagen her, ihre jaulenden Sirenen klangen anders als die monoton heulenden der Polizeiautos. Links von ihr versuchten Nationalgardisten, die Straßen freizubekommen, leiteten den Verkehr aus der Gegend ab, während sie mit den Händen an ihren Halftern herumfummelten und sich wünschten, sie könnten hier Hilfe leisten. Ihre zornigen Gesten vermittelten den verdutzten Fahrern ihren Gemütszustand.
    Diejenigen, die näher bei Giant Steps waren, also direkt davor, hörten ein erneutes entsetztes Aufkreischen der Kleinen und konnten nur raten, weswegen.
    Die Lederjacke schob es hoch, wenn er so dasaß. Wenn jemand hinter ihm gewesen wäre, hätte er das Halfter an der Hüfte sehen können, das wußte der Inspektor. Er hatte noch nie einen Mord gesehen. Er hatte einen Gutteil davon untersucht, aber einen direkt zu sehen … eine Frau, die mit Kindern arbeitete. Der Schock in seinem Gesicht war so real wie bei jedem anderen Menschen, der ein Leben verlöschen sah … ein unschuldiges Leben, fügte sein Verstand hinzu. Also hatte er wirklich keine Wahl.
    Als er noch mal auf Marlene Daggett blickte, wünschte er, er könnte ihr noch sagen, daß ihr Mörder dieses Gebäude nicht lebend verlassen würde.
    Es war ein Wunder, daß bis jetzt noch keines der Kinder verletzt worden war. Alle Schüsse waren relativ hoch gewesen, und er erkannte, daß er jetzt tot neben seiner Tochter liegen würde, wenn Miss Anne ihn nicht umgerissen hätte. In der Wand waren Löcher, und die Kugeln, von denen sie stammten, hatten die Stelle durchflogen, wo er noch eine oder zwei Sekunden vorher gestanden war. Er blickte ganz kurz nach unten und sah, daß seine Hände zitterten. Seine

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