Befehl von oben
verschiedenen Staaten, da die Nationalgarde eine hybride Institution darstellt, zum Teil Staatsmiliz, zum Teil US-Army. Diese Befehlshaber gaben, von den Mobilisierungsbefehlen überrascht, den Sachverhalt an ihre Gouverneure durch; hofften auf Führung in Lagen, die ihre Staatsexekutive bisher genauso wenig wie sie begriffen, da sie ebenfalls nicht verstehen konnten, was vorging. Aber auf der Ebene von Kompanie und Bataillon eilten Männer (und Frauen) von ihren Zivilberufen herein, Bürgersoldaten, die sie waren. Sie zogen mit BDUs in Waldtarnung ihre Dienstkleidung an, polierten ihre Stiefel und fuhren zum lokalen Zeughaus, damit sie mit ihren Gruppen und Zügen vereint den Dienst antreten konnten. Dort überraschte sie, daß sie Waffen beziehen mußten, und ärger noch, ihr MOPP-Gerät anziehen. Alle hatten in dieser Schutzkleidung mal trainiert, und alle haßten sie herzlich. Es gab die üblichen Witze und Geschäker, Geschichten von der Arbeit, von Weib und Kind, während Offiziere und leitende Unteroffiziere sich in Konferenzräumen trafen, um herauszufinden, was zum Teufel eigentlich los war. Vor den Zeughäusern husteten sich Fahrzeuge ins Leben. Drinnen wurden Fernseher angeworfen.
In Atlanta fuhr der SAC vom Atlanta Field Division mit brüllenden Sirenen zu CDC, gefolgt von zehn weiteren Agenten. Zum Hoover-Gebäude in Washington fuhren eine Anzahl CIA- und anderer Offiziere gemächlicher, um dort eine gemeinsame Task-Force aufzustellen. In beiden Fällen ging es darum, herauszufinden, wie die Epidemie begonnen hatte und was demnach ihr Ursprungsort war. Die Defense Intelligence Agency und die National Security Agency waren im Grunde Uniformierte, deren übelgelaunte Offiziere jeden gerne wissen ließen, daß in der amerikanischen Geschichte etwas Neues stattgefunden hatte. Wenn dies eine absichtliche Attacke gegen die USA war, hatte völkerrechtlich ein Staat, vorsichtig ausgedrückt, eine ›Massenvernichtungswaffe‹ angewandt. Dann erklärten sie ihren zivilen Gegenparts, wie seit zwei Generationen bei solchen Vorkommnissen die Politik der USA lautete.
Es passierte natürlich alles viel zu schnell, da Notfälle von Natur aus nicht besonders gut zu planen sind. Dies betraf auch den Präsidenten, der in Begleitung von USAMRIIDs General Pickett den Presseraum des White House betrat. Vor nur dreißig Minuten hatte das White House den großen Sendern mitgeteilt, daß der Präsident etwas anzukündigen hatte und daß die Regierung ihre Option ausüben wolle, Sendezeit zu fordern. Sendungen wurden verschoben und einleitende Kommentare gegeben, daß keiner wußte, worum es eigentlich ging, daß aber vor wenigen Minuten eine notfallmäßige Kabinettssitzung stattgefunden habe.
»My fellow Americans«, begann Präsident Ryan, und sein Gesicht war in den meisten Häusern zu sehen, seine Stimme in allen Wagen auf den Straßen zu hören. Die den neuen Präsidenten schon kannten, bemerkten das blasse Gesicht (Mrs. Abbot hatte nicht die Zeit gehabt, sein Make-up anzubringen) und die grimmige Stimme. Die Nachricht war noch grimmiger.
Der Zementlaster hatte natürlich ein Radio. Er hatte auch einen Band- und CD-Spieler, da er schließlich als Arbeitsgefährt für die Verwendung durch amerikanische Bürger hergestellt war. Sie waren jetzt in Indiana, nach Überquerung sowohl des Mississippi und des Staates Illinois auf dem Wege zur Hauptstadt der Nation. Holbrook, der den Worten von keinem Präsidenten besondere Bedeutung zumaß, drückte den Scan-Knopf, bekam aber die gleiche Stimme auf allen Sendern. Das war hinreichend ungewöhnlich, daß er bei einem blieb. Brown sah, daß immer mehr Fahrzeuge rechts ranfuhren, deren Fahrer wie er dem Radio zuhörten.
»Dementsprechend nimmt Ihre Regierung, gemäß Exekutivbefehl des Präsidenten, folgende Handlungen vor: Erstens, bis auf weiteres alle Schulen und Colleges des Landes zu schließen.
Zweitens, alle Geschäfte außer denen, die lebensnotwendige Dienste leisten, die da sind Medien, Gesundheit, Nahrung, Ausübung der Gesetze und Brandschutz, ebenfalls bis auf weiteres zu schließen.
Drittens, alle Orte öffentlicher Versammlung, Theater, Restaurants, Bars usw. zu schließen.
Viertens, jedweden Verkehr zwischen den Bundesstaaten bis auf weiteres zu sperren. Dies bedeutet, jeden kommerziellen Flugverkehr, Bahnen und Busse sowie private Pkws. Lastwagen mit Nahrungsmitteln werden unter Militäreskorte passieren dürfen wie auch lebenswichtige Versorgungsgüter,
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