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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Eltern an die Tür klopfen wollen, um zu sehen, ob sie nicht doch wieder da wären.
    »Oh, Gott!« stöhnte der Kommentator.
    Die Kameras zoomten näher heran, als zwei vom 3. Zug den verletzten Fallschirmjäger wegzogen. Der Sergeant trat an seinen Platz. Rasch wurde der Sarg wieder aufgenommen, dessen polierte Eiche durch den Aufschlag offensichtlich zerschrammt und entstellt war.
    »Okay, Soldaten«, sagte der Sergeant von seinem neuen Platz aus. »Auf links.«
    »Daddy«, wimmerte Mark Durling, neun Jahre alt. »Daddy.« Jeder, der dicht dabei stand, hörte es in der Stille, die sich nach dem Unfall breitgemacht hatte. Die Soldaten bissen sich auf die Lippen. Die Secret-Service-Agenten, vom Verlust eines Präsidenten schon angeschlagen, sahen einander hilflos an. Jack schlang instinktiv die Arme um den Jungen, wußte aber immer noch nicht, was er sagen sollte. Was würde wohl noch schiefgehen? fragte er sich, als Mrs. Durling ihrem Mann die Treppe hinauf und nach drinnen folgte.
    »Okay, Mark.« Ryan, immer noch den Arm um dessen Schulter, führte ihn zur Tür. Ohne darüber nachzudenken, nahm er damit für einige Schritte den Platz eines Lieblingsonkels ein. Wenn es bloß einen Weg gäbe, ihr Leid von ihnen zu nehmen, bloß für ein paar Sekunden.
    Drinnen war es wärmer. Flatterige Protokollbeamte nahmen ihre Plätze ein. Ryan und seine Angehörigen gingen zur ersten Reihe rechts.
    Die Verwandtschaft der Durlings nahm links Platz. Die Särge standen Seite an Seite auf Katafalken in der Sakristei, und dahinter waren noch drei, der eines Senators und zwei von Mitgliedern des Repräsentantenhauses, die nun zum letztenmal ›repräsentierten‹. Die Orgel spielte etwas, das Ryan schon einmal gehört hatte, aber nicht mehr einordnen konnte. Die Geistlichen hatten sich vorn aufgestellt, die Gesichter professionell beherrscht. Vor Ryan, wo sonst das Gesangbuch steckte, war ein weiteres Exemplar seiner Rede.
    Die Szene auf dem Fernsehschirm war so, daß sie jemandem in seinem Gewerbe entweder Übelkeit bescheren oder ihn auf eine Art erregen konnte, die über Sex weit hinausging. Wenn doch nur … aber Gelegenheiten wie diese ergaben sich nur zufällig, boten einem keine Zeit, sich vorzubereiten. Nicht, daß es technisch schwierig gewesen wäre, und er ließ seine Gedanken Methodik erwägen. Ein Mörser vielleicht. Den könnte man auf einen ganz gewöhnlichen Lieferwagen montieren, so wie man ihn in jeder Stadt der Welt findet. Durch das Dach des Gebäudes die Ziele darunter eindecken. Mindestens zehn würde man erwischen, vielleicht sogar fünfzehn oder zwanzig, auch wenn die Auswahl dem Zufall überlassen bliebe, ein Ziel war ein Ziel, und Terror war Terror, und das war sein Gewerbe.
    »Sieh sie bloß alle an!« keuchte er. Die Kameras fuhren durch die Reihen. Zumeist Männer, einige Frauen, keine für ihn erkennbare Sitzordnung. Einige flüsterten miteinander. Dann die Kinder des toten amerikanischen Präsidenten, ein Sohn und eine Tochter mit dem geschlagenen Gesichtsausdruck derjenigen, die die Realität des Lebens berührt hatte. Kinder trugen doch ihre Bürde überraschend leicht. Sie würden überleben, um so eher, da sie jetzt ohne politische Bedeutung waren, und daher war sein Interesse an ihnen so nüchtern wie mitleidlos. Dann war die Kamera wieder auf Ryan gerichtet und holte sein Gesicht so nah heran, daß man es ganz genau studieren konnte.
    Von Roger Durling hatte sich Jack noch nicht verabschiedet. Er hatte noch keine Zeit gehabt, den Gedanken in den Vordergrund zu holen, so beschäftigt war er die ganze Woche gewesen, und nun war sein Blick von diesem einen Sarg gefesselt. Anne hatte er kaum gekannt, und die drei anderen in der Sakristei waren Fremde für ihn, ohnehin nach der Religionszugehörigkeit zufällig ausgewählt. Roger war aber ein Freund gewesen, hatte ihn aus dem Privatleben zurückgeholt, ihm einen wichtigen Job gegeben, meistens seinen Rat angenommen, ihm Offenheit erwiesen, ihn gelegentlich gerügt oder zurechtgewiesen, stets aber als Freund. Der Posten war schwierig gewesen, um so mehr durch den Konflikt mit Japan – selbst für Jack war er jetzt, da er vorüber war, kein ›Krieg‹ mehr, denn Krieg war etwas, das der Vergangenheit angehörte.
    Gehörte nicht mehr in die reale Welt, die sich über die Barbarei hinausentwickelte. Durling und Ryan waren durch sie hindurchgegangen, und während der erstere weitermachen wollte, um die Sache auf andere Weise zu Ende zu bringen, hatte er

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