Befehl von oben
Soldat. Eisenhower. Jack Kennedy war in der Navy, Nixon auch und Jimmy Carter und George Bush …«
»Aber das Vizepräsidentenamt ist ihm doch nur als Übergangslösung übertragen worden und als Belohnung für seine Handhabung des Konflikts« – niemand nannte ihn wirklich ›Krieg‹ –, »mit dem, was sich als japanische Wirtschaftsinteressen herausstellte.« Da, dachte der Moderator, damit hätte er diesen überalterten Auslandskorrespondenten zurechtgewiesen. Wer hat behauptet, der Präsident habe ein Anrecht auf eine Schonfrist?
Ryan wollte seine Rede noch einmal durchgehen, doch er fand, daß er das nicht konnte. Es war ziemlich kalt da draußen. Auch im Wagen war es nicht gerade warm, aber Tausende Leute standen da draußen bei minus zwei Grad in Fünfer- bis Zehnerreihen am Gehsteig und schauten ihm nach, als er vorüberfuhr. Sie waren nahe genug, daß er die Gesichtsausdrücke erkennen konnte. Viele zeigten auf ihn und sprachen zu Leuten neben ihnen – da ist er, das ist der Neue. Einige winkten: kleine, verlegene Gesten von Leuten, die nicht wußten, ob das okay war, aber irgendwie ihr Mitgefühl ausdrücken wollten. Mehrere nickten Respekt, mit dem schmalen Lächeln, das man von Beisetzungen kannte – hoffe, Sie sind okay. Jack fragte sich, ob es sich schickte, zurückzuwinken, entschied sich aber dagegen. Und so sah er sie nur an, sein Gesicht, dachte er, neutral, und sagte nichts, denn er hätte auch nicht gewußt, was er sagen könnte. Nun, das würde seine Rede besorgen müssen, dachte Ryan, frustriert mit sich selber.
»Kein lustiger Camper«, flüsterte Brown Holbrook zu. Sie warteten kurz, daß sich die Menge verlief. Nicht alle Zuschauer waren an der Prozession ausländischer Würdenträger interessiert. Man konnte ja nicht in die Wagen reinsehen, und all die Flaggen verfolgen zu wollen rief nur verschiedene Varianten von »Welche ist das?« hervor – oft mit falschen Antworten. So bahnten sich die beiden Mountain Men, wie viele andere auch, den Rückzug von der Bordsteinkante in einen Park.
»Ist auch nicht der Richtige«, erwiderte Holbrook schließlich.
»Der is' auch bloß so 'ne Bürokratie. Erinnerst du dich an das Peter-Prinzip?« Das Buch, meinten beide, war geschrieben worden, um den öffentlichen Dienst zu erklären. In jeder Hierarchie würden die Leute dazu neigen, bis zum Niveau ihrer Inkompetenz aufzusteigen. »Ich glaub', mir gefällt das hier.«
Sein Kamerad schaute zurück zur Straße und den Wagen mit kleinen, flatternden Fähnchen. »Du könntest recht haben.«
Die Sicherheit in der National Cathedral war luftdicht. Im Innersten waren die Secret-Service-Agenten davon überzeugt; wußten, daß kein Attentäter – die Vorstellung professioneller Attentäter war weitgehend eine Erfindung von Hollywood – unter diesen Umständen sein Leben riskieren würde. Auf jedem Gebäude mit direkter Sicht auf die in neugotischem Stil erbaute Kirche waren mehrere Polizisten, Soldaten oder Spezialagenten vom Secret Service postiert, viele mit Gewehren; dazu das Team ihrer eigenen Heckenschützenabwehr, ausgestattet mit dem Besten von allem, 10.000 Dollar teuren, handgefertigten Präzisionsgeräten, die noch aus achthundert Metern einen Kopfschuß garantierten – das Team, welches Wettbewerbe mit der Regelmäßigkeit von Gezeiten gewann, war wohl die beste Ansammlung von Scharfschützen, die die Welt je gesehen hatte, und trainierte täglich, damit es so blieb. Wer etwas Übles vorhaben mochte, würde das alles wissen und sich fernhalten, oder falls es ein verrückter Laie wäre, die massiven Verteidigungsmaßnahmen sehen und entscheiden, daß es kein guter Tag zum Sterben wäre.
Aber angespannt war die Lage doch, und selbst als der Leichenzug in der Ferne auftauchte, eilten die Agenten nervös umher. Einer von ihnen, erschöpft von dreißig Stunden ununterbrochenem Dienst, trank gerade Kaffee, als er auf der Steintreppe stolperte und den Kaffee verschüttete.
Mürrisch zerdrückte er den Schaumbecher, steckte ihn ein und sagte ins Mikrofon am Revers, daß auf seinem Posten alles in Ordnung war. Auf dem im Schatten liegenden Granit gefror der Kaffee auf der Stelle.
In der Kathedrale kontrollierte ein weiteres Agententeam nochmals jeden Winkel, ehe sie sich postierten und den Protokollbeamten gestatteten, letzte Vorbereitungen zu treffen, die zugefaxte Sitzanweisung zu prüfen, die sie erst seit Minuten hatten, und sich zu fragen, was denn noch schiefgehen würde.
Die
Weitere Kostenlose Bücher