Befehl von oben
Gewohnheiten, was er gern aß und trank, welchen Golfklubs er angehörte, alle Arten von Belanglosigkeiten, aber nichts war belanglos in bezug auf einen Mann in seiner Position. Er brauchte nicht zu fragen, was sein Boß gerade dachte. Die Gelegenheit, die beide verpaßt hatten, mit all den Staatsund Regierungschefs in der National Cathedral, war für immer vorbei, doch sie würde nicht die einzige bleiben.
Mit einem letzten Lied war die Trauerfeier zu Ende. Die Soldaten kamen wieder, um die Särge zu tragen, und die Prozession begann in umgekehrter Richtung. Mark und Amy sammelten sich und folgten ihren Eltern, begleitet von ihren Verwandten. Unmittelbar hinter ihnen kam Jack mit seiner Familie. Katie war ziemlich gelangweilt und froh, daß sie sich bewegen konnte. Jack jr. war traurig wegen der Durling-Kinder.
Sally sah irgendwie mitgenommen aus. Er würde mit ihr darüber reden müssen. Den Gang hinab blickte er in etliche Gesichter und stellte zu seiner Überraschung fest, daß die ersten vier, fünf Reihen nicht auf die Särge schauten, sondern auf ihn. Und sie wandten den Blick nicht ab.
Seine Staatsoberhaupt-Kollegen, dachte Jack und fragte sich, was für einen Klub er betreten hatte. Nur wenige Gesichter blickten freundlich.
Der Prinz of Wales, der kein Staatsoberhaupt war und darum vom Protokoll weit hinter anderen – einige von ihnen waren bekannte Verbrecher, aber das ließ sich nicht ändern – plaziert worden war, nickte ihm freundlich zu. Ja, der würde ihn verstehen, dachte Jack. Der neue Präsident wollte am liebsten auf die Uhr schauen, so müde fühlte er sich von den Ereignissen dieses Tages, der doch so jung war, aber er hatte strenge Unterweisung bekommen, so weit, daß man ihm geraten hatte, sie wegzulassen. Ein Präsident brauchte keine Uhr. Ständig waren Leute um ihn, die sagten, was als nächstes kam, genau, wie jetzt Leute an der Garderobe standen, bereit, Ryan und seiner Familie zu reichen, was sie benötigten, bevor sie nach draußen gingen. Da waren Andrea Price und Angehörige der Leibwache. Draußen waren noch mehr: eine kleine Armee von Leuten mit Waffen und Ängsten, und ein Wagen, um ihn zu seinem nächsten Ziel zu bringen, wo er weiteren offiziellen Pflichten nachkommen würde, dann zum nächsten und nächsten und nächsten.
Von alldem durfte sich Ryan nicht das Leben bestimmen lassen. Beim Gedanken daran zog er die Stirn kraus. Seine Arbeit würde er tun, aber den Fehler, den Roger und Anne gemacht hatten, den wollte er nicht begehen. Er dachte an die Gesichter, die er beim Hinausgehen aus der Kirche gesehen hatte, und da wurde ihm klar, daß dies ein Klub war, den zu betreten er gezwungen sein mochte, dem er aber nie beitreten würde.
Das nahm er sich jedenfalls vor.
8
Kommandowechsel
Von der Kathedrale reisten die Särge in Leichenwagen, und die große, offizielle Gesellschaft, zurückgelassen, schwärmte aus in Embassy Row.
Air Force One stand an der Rampe bereit, um die Durlings zum letztenmal nach Kalifornien zu bringen. Jetzt wirkte alles viel zwangloser. Wieder gab es eine Ehrengarde, die vor den mit der Flagge geschmückten Särgen salutierte, aber es war eine andere. Auch die Menge war kleiner und bestand vor allem aus Air-Force- und anderem militärischem Personal, das auf eine oder andere Art dem Präsidenten direkt gedient hatte.
Auf Ersuchen der Familie würde die Beisetzung selbst in bescheidenem Rahmen, nur mit Verwandten stattfinden, was sicher für alle besser war.
Und so ertönten hier auf Andrews zum letztenmal ›Ruffles and Flourishes‹ und ›Hail to the Chief‹. Mark stand stramm und hielt die Hand auf dem Herzen in einer Geste, die sicher auf die Titelseiten aller Nachrichtenmagazine kommen würde. Ein guter Junge, der sein Bestes gab und mehr Männlichkeit bewies, als er je wissen würde. Ein Scherenlift hob die Särge an die Frachtraumtür, denn von diesem Punkt an waren sie das; zum Glück war dieser Teil der Überführung verdeckt. Dann war es Zeit.
Die Angehörigen gingen die Treppe hinauf zu ihrem letzten Flug in der VC-25. Sie hatte nicht mal das Air-Force-One-Sendezeichen mehr, denn das gehörte zum Präsidenten, und der Präsident war nicht an Bord. Ryan sah zu, wie die Maschine davonrollte, dann die Startbahn dahinjagte.
Fernsehkameras verfolgten sie, bis sie nur noch ein Punkt am Himmel war. Als es vorbei war, bestieg Ryan mit seiner Familie einen Marine-Helikopter, um zum White House zurückzukehren. Die Crew lächelte und
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