Begegnung im Schatten
wenn er vordem noch so vertieft arbeitete, höchste Aufmerksamkeit geschenkt. Das nahm zu, je näher der Zeitpunkt rückte, zu dem das Heranwachsende das Licht der Welt erblicken sollte. In Front lagen die Eier des Schnabeltiers, dann sollten die der Krokodile und zuletzt der Schildkröten folgen.
Zwischendurch zu durchleuchten – wie in der Geflügelzucht üblich –, wagte man nicht, um das Brüten nicht allzu sehr zu stören, zumal ein Teil der Eier im feuchten Sand lagerte. Unklar blieb also bis zum Schluss, in welchem Ei sich etwas Lebendiges entwickeln würde.
Sieben bis zehn Tage sollten die Eier des Schnabeltieres bebrütet werden, so die Information, die Ramlundt mitgebracht, und die zigfach in allerlei Lexika und Beschreibungen nachgelesen worden war.
Aber nichts tat sich nach diesem Zeitraum.
Am zehnten Tag ging Hauser – von den Blicken der anderen, die sich im Raum befanden, verfolgt – fast stündlich an die Kiste, kontrollierte Temperatur und Luftfeuchtigkeit und beäugte durch die Glasscheibe den kleinen Innenraum. Die beiden Eier lagen verborgen unter einem Otterfell. Doch ab und an drehte er sie rasch, weil man annehmen konnte, dass das Tier das ebenso gehalten hätte.
Von Stunde zu Stunde wuchs seine Ungeduld und – Enttäuschung. Trost, den Franziska zu spenden versuchte: Dass die fremden DNA wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entwicklungszeiten ihres Ursprungsorganismus durchsetzen würden, half ihm offensichtlich nur wenig über seinen Erregungszustand hinweg, obwohl ihre Argumente der Logik nicht entbehrten.
Am 13. Tag schien es, als mische sich in seine Enttäuschung Verzweiflung. Er lief zur Kiste und dann wortlos aus den Raum. Man sah ihn heftigen Schritts mit auf dem Rücken verschränkten Händen am Waldsaum entlang marschieren; er aß so gut wie nichts und sprach mit niemandem.
Im der Nacht vom 16. auf den 17. Tag wurden jene, die schliefen, durch geschrieene Urlaute, die durch das Haus gellten, äußerst unsanft geweckt. Sie trafen sich in kurzer Aufeinanderfolge in der Diele, notdürftig bekleidet, die Lauring gar nackt, nur mit einem vorgehaltenen Schal mäßig bedeckt, und stürzten hinunter ins Labor, woher die Laute gekommen waren.
Vor dem Brutkasten mit den Schnabeltiereiern stand Dr. Hauser mit ausgestrecktem Arm, der auf den Behälter wies, und er rief heiser: „Das eine hat einen Riss! Hat einen Riss, versteht ihr?“
„Nein!“ rief die Lauring und umarmte den neben ihr stehenden Markowitsch, wobei ihr Tuch zu Boden fiel, was sie nicht störte und auch nicht die Aufmerksamkeit der anderen erregte, und nicht nur, weil ihr ausgemergelter Körper so ansehenswert nicht war.
„Na, bitte!“, bemerkte Markowitsch. „Hab’ ich doch immer gesagt!“
Franziska eilte auf den Vater zu, warf ihre Arme um seinen Hals, „Glückwunsch, Vater!“, rief sie. „Ich hab’ es dir so gegönnt!“
Ihr folgte Stephan Ramlundt. Er schüttelte Hauser die Hand und sagte: „Ebenfalls Glückwunsch, Doktor Hauser. Es hat sich also doch gelohnt!“, fügte er ein wenig zweideutig hinzu.
Etliche Augenblicke gab sich jeder dem Hochgefühl hin. Dann machte sich Hauser sanft frei. „Wir dürfen nicht zu früh jubeln“, sagte er beschwichtigend. „Noch wissen wir nicht, was es ist und wie oder ob es wird…“
„Schon“, erwiderte die Tochter. „Aber deine Methode hat funktioniert, und sie wird wieder funktionieren, auch wenn es dieses Mal noch nicht der große Wurf… Aber warten wir es doch ab. Schon morgen wissen wir doch mehr!“
Nur kurz ließ Hauser die Neugierigen einen Blick in die Kiste werfen, nur zu einem Spalt lupfte er das Fell, sodass man gerade das Ei mit dem Riss sehen konnte, ein gezackter Riss von zwei Millimetern Breite, der das Ei in zwei Hälften teilte.
Die Euphorie mündete in eine stille Freude. Ans Weiterschlafen dachte zunächst niemand.
Markus Markowitsch hatte der Lauring seine Schlafanzugjacke übergehängt, die ihr fast bis an die Knie reichte und ihre Nacktheit, die ihr jedoch, wie es schien, keineswegs ein Problem bereitet hatte, beendete.
Franziska eilte in einen Nebenraum und kam mit zwei Flaschen Champagner zurück, die Ramlundt öffnete und in Bechergläser ausgoss.
„Ich sag’ ja“, bemerkte Dr. Hauser zaghaft, „noch wissen wir nicht…“
„Zum Wohl“, rief Ramlundt, „und darauf, dass wir wissen, wie es geht! So zufrieden, Doktor?“
Dr. Hauser nickte lächelnd und hob sein Glas.
Stephan Ramlundt kam immer mehr zu der
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