Begegnung im Schatten
attraktive Mann und die von der Natur und durch eigene Sorglosigkeit benachteiligte Ärztin bildeten aus ihrer Sicht ein äußerst ungleiches Gespann. Der Arbeit aber kam die Harmonie zwischen den beiden zugute. Es war dies auch das Einzige, was Hauser interessierte. Ebenso sah er wohl die Liaison zwischen Ramlundt und seiner Tochter. Auch diese wirkte sich nicht störend auf das Vorhaben aus.
Sie hatten eine Technologie entwickelt, die Erfolg versprach. Durch ein kleines Fenster in der Schale würde man in des Ei eindringen, mit einer winzigen Leuchtdiode den Befruchtungspunkt auffinden und dann nach herkömmlicher Methode die Erbsubstanzen austauschen. Wenn das gelang, würde der weitere Verlauf einfacher sein. Es musste nicht reimplantiert werden. Die Eier kamen ins Brutgelege. Jedem der fünf Akteure war natürlich klar, dass sich das alles in der Theorie sehr viel einfacher anhörte, als die Praxis es erwarten ließ. Spannung und Nervosität legten sich über das Team, je näher der Zeitpunkt rückte, zu dem der erste Eingriff erfolgen sollte, den, zum Erstaunen Ramlundts, Hauser der Lauring überließ, der er die größere Routine zusprach.
Neben den Vorbereitungen zur eigentlichen Aktion beaufsichtigten sie zu viert, der Hausherr schloss sich aus, abwechselnd den Bau eines großen, umhausten Bassins mit emporgezogener gläserner Brüstung und zwei schiefen Ebenen, eine zur Wasser- und eine zur Landseite hin, die, der Anatomie und der vermuteten Lebensweise der Fremdlinge entsprechend, den Ein- und Ausstieg bequem gestalten würden. Und natürlich durften die Bauleute vom heimlichen Geschehen auf dem Areal nichts erfahren. Die merkwürdige Gestaltung des Pools erklärte Franziska Hauser-Lan damit, dass man den Daueraufenthalt einer behinderten Verwandten erwarte, die viel therapeutisch schwimmen müsse und deshalb einen solchen Zugang benötige.
Dr. Hausers fixe Idee, den Außerirdischen wieder Leben zu geben, nahm reale Gestalt an. Zumindest sprach viel dafür, dass sie sich mit Geschick und einer großen Portion Glück verwirklichen ließe.
Dann wurden die Bauarbeiten vorübergehend eingestellt, über das Anwesen breitete sich tiefe Ruhe. Die höchste Konzentration erfordernde Arbeit an den Manipulatoren begann.
Dr. Hauser und Dr. Lauring gönnten sich kaum eine Pause. Sie saßen im abgedunkelten Laboratorium an den Geräten; Hauser bereitete die Eier vor, die Lauring besorgte den eigentlichen Eingriff.
Selbst die unerwartet beachtliche Freizeit, die Stephan Ramlundt und Franziska Hauser-Lan beschert wurde, nutzten sie nur bedingt. Das bange Warten und Nervende, das auch die beiden befallen hatte, ließen ein entspanntes Miteinander kaum zu.
Nur Markowitsch schien die ganze Aufregung wenig zu beeindrucken. Er befand sich für Tage außer Haus, um im Verlag eine Veröffentlichung Hausers „Zu Fragen der genetischen Strukturierung der Flora in wasserarmen mediterranen Regionen“ für die Drucklegung vorzubereiten.
Zehn von den 15 Eiern lagerten präpariert in den Brutschränken. Der Rest, je zwei der Krokodile und Schildkröten und eines des Schnabeltieres bildeten eine Reserve, sollte das Experiment im ersten Anlauf misslingen.
Scheinbar war wieder normales Leben in das Waldhaus eingekehrt. Das Team arbeitete an den in der letzten Zeit arg vernachlässigten Forschungsaufgaben, die sich Hauser für seinen sogenannten Ruhestand vorbehalten hatte. Die Lauring wurde einbezogen; ihr fiel die Aufgabe zu, sich weiter mit der genetischen Verschmelzung tierischer mit pflanzlichen Zellen – ein Steckenpferd Hausers – zu befassen, eine selbstständige Arbeit, die kaum Kontakt zu den Kollegen erforderte, sodass Reibereien im Team nicht zu befürchten waren.
Aber trotz aller Emsigkeit, die jeder in seinem Part an den Tage legte, ließ sich die Erregung nicht unterdrücken und verbergen. Gereizt und wortkarg die einen, aufgekratzt und damit nervend Markowitsch, grantig Hauser – so begegneten sie sich und, sicher das Vernünftigste, gingen sich, so weit möglich, aus dem Weg.
Diese Anspannung kam immer dann zum Ausdruck, wenn die Brutkästen kontrolliert wurden, und das geschah über 24 Stunden vier Mal durch den Wachhabenden, obwohl selbstredend die Daten der Brutanlage stündlich automatisch abgefragt wurden und bei einer Unregelmäßigkeit sofort ein Alarm ausgelöst worden wäre.
Obwohl die Live-Kontrolle ein unspektakulärer Routinevorgang war, wurde ihm von jedem, der sich in der Nähe befand, und
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