Begegnung im Schatten
bleiben noch gute sechzig.“, erläuterte Dr. Lauring, „… bis wir mehr wissen“, fügte sie dann zögernd hinzu. Auch ihr Optimismus schien gedämpft.
„Und wenn wir die Temperatur erhöhen?“, fragte Franziska. Die Lauring schüttelte den Kopf. „Wir sind schon bei einunddreißig Grad an der oberen Grenze.“
„Schön.“ Dr. Hauser atmete tief durch. „Da haben wir Gelegenheit, das aufzuarbeiten, was von den anderen Themen liegen geblieben ist.“ Enthusiastisch klang es nicht, wie er das sagte.
Obwohl genügend interessante Arbeit den Alltag bestimmte, schien die Zeit stehen geblieben zu sein.
Und auch wenn jeder wusste, dass sich die Brütezeit der zehn präparierten Eier wahrscheinlich weder verkürzen noch künstlich raffen ließ, führten sie stoisch über 24 Stunden die Kontrollgänge an den Boxen durch – trotz der allerdings wenig nachdrücklichen Bemerkung Hausers, dass sie vorerst wohl nicht notwendig wären. Natürlich verzichtete auch er nicht darauf.
Ein Risiko bestand: Über die Brutpflege der Fremdlinge gab es natürlich keine Vorstellung, und die Eier staken in feuchtem Sand. Konnten die frisch Geschlüpften wie neugeborene Krokodile und Schildkröten sich selbst aus ihrem körnigen Tiefbett befreien, oder…?
Die Frage beschäftigte jeden des Teams, bis Markowitsch die geniale Idee kam, den Beginn des eigentlichen Schlüpfvorgangs automatisch anzeigen zu lassen: Jedes Ei bekam in Längsrichtung eine ultrafeine Metallschleife, die bei der geringsten Beanspruchung reißen, damit den sie durchfließenden Stromhauch unterbrechen und einen Hupton auslösen würde.
Zwei Tage lang war Markowitsch ob seiner Erfindung der Held des Teams. Und in der Tat: Die Regelmäßigkeit der Kontrollgänge ging in Spontanität über.
Und immerhin blieben noch immer 30 Tage bis zum kritischen Zeitpunkt. – Wenn jemand privat etwas vorhätte, sollte er es jetzt erledigen, so Dr. Hauser gegenüber seinen Mitarbeitern. Später könne dafür möglicherweise keine Zeit mehr eingeräumt werden.
Franziska Hauser-Lan und Stephan Ramlundt nutzten die Auflassung und reisten nach Bulgarien ans Schwarze Meer. Der dienstliche Vorwand: Eigene Wasseranalysen; denn Vertrauen auf die Fachliteratur und das Internet sei gut, Kontrolle vor Ort besser.
Es galt, demnächst prophylaktisch das Bassin zu füllen, da Wasser möglicherweise das Lebensmedium der Exoten sein könnte. Und der Rest, den sie im Quader vorgefunden hatten, entsprach in seinem Salz- und Mineralgehalt ziemlich genau dem des Schwarzen Meeres, natürlich unter Berücksichtigung der erfolgten Verdampfung. Die Beimengungen, so Dr. Lauring, seien wohl Lösungsprodukte aus dem Organismus, der ja wohl lange genug darin schwamm.
Natürlich führten sie alles für die Analysen Notwendige mit und hatten auch vor, diese sorgfältig zu machen. Der eigentliche Anlass aber: In der Ruhephase vor dem vermeintlichen Sturm eine von der nörglichen Lauring, dem geschwätzigen Markowitsch und dem vor innerer Erregung und Ungeduld grantigen Hauser ungestörte Zweisamkeit abseits vom Massentourismus zu genießen.
Sie mieteten sich im kleinen Städtchen Achtopol bei einer Fischerfamilie ein, wo sich der Alltag im von Weinreben überdachten Hof abspielte, in dem auch das sonnendurchwärmte, aufgebockte Fass stand, an dem man sich wusch. Aus vager Erinnerung heraus hatte Ramlundt den kleinen Fischerort als Reiseziel vorgeschlagen: Angekommen, wurde ihm gegenwärtig: Sandra hatte geschwärmt von mehreren glücklichen Ferienaufenthalten in dieser malerischen Gegend.
Einige Male kam abends Schwager Bogidar mit Frau zu Besuch, der in Deutschland studiert, einen schlecht bezahlten Job in einer Bootswerft in Mitschurin hatte und temperamentvoll zu schimpfen verstand: Man habe sich von der Liaison mit Westeuropa eine Besserung der sozialen Strukturen erhofft. Das Gegenteil sei eingetreten. „Die wollen nur an die Rohstoffe, billige Arbeitskräfte der eigenen Gesetzlichkeit unterwerfen und…“ So Bogidar.
Stephan Ramlundt und Franziska Hauser-Lan beteiligten sich nicht ernsthaft an den fruchtlosen Diskussionen, die auch eher mit unernstem Hintergrund geführt wurden, wofür Mastika, der kratzige rote Wein und scharfe, in Olivenöl gesottene Peperoni zu gebrochenem Gerstenbrot sorgten.
Sie genossen wundervolle Tage, schwammen viel in einer einsamen, schon von Sandra beschriebenen geschützten Bucht, in die die Milizionäre, in diesem abgelegenen Zipfel der Welt noch
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