Begegnung im Schatten
diesen enormen Fortschritt im Umgang mit den Exterranern für sich behalten hat. Wenn ich darüber spreche, dann zunächst mit ihr.’ Einen Augenblick kam ihm Franziska in den Sinn. Auch ihr gegenüber würde er schweigen. Schließlich wurde ihr Vater hintergangen, und wäre sie als seine Tochter nicht nachgerade verpflichtet…? – Immer wenn Stephan Ramlundt in den Tagen darauf Lissi sah, und das geschah oft, hatte er den Eindruck, dass sie ihre großen Augen besonders nachhaltig auf ihn richtete, ihm nachschaute, wenn er vorbei ging. Er empfand es als schade, dass ein Mensch außer Stande war, ihren Gesichtern Empfindungen abzulesen.
Einmal beim Mittagessen berichtete Dr. Lauring freudig, dass sie unbedingt den Eindruck habe, dass sich Lissi und Grit in ihrem neuen Zuhause außerordentlich wohlfühlen.
,Heuchlerin’, dachte Stephan Ramlundt. ,Wenn dem so ist, werden sie es ihr gesagt haben. Da braucht Frau Anja ja wohl nicht ihren Eindruck wiederzugeben.’ „Schade, dass sie es uns nicht selber sagen können“, bemerkte er und betrachtete eingehend seine Fingernägel.
Dr. Lauring sah ihn eindringlich mit gerunzelter Stirn an. „Auch das werden sie eines Tages“, antwortete sie schnippisch.
„Wir wollen nichts überstürzen, sie nicht überfordern“, mahnte Dr. Hauser.
„Eben“, bekräftigte die Lauring rechthaberisch.
Stephan Ramlundt konnte sich eines leichten Grinsens nicht erwehren.
Seine Gedanken um die Exterraner ließen Stephan Ramlundt natürlich nicht los.
Es ergab sich, dass er gegen Abend des selben Tages Dr. Hauser allein im Laboratorium antraf, wo dieser sich die jüngsten Ergebnisse der Zellverschmelzung ansah, ihr ursprünglicher Auftrag, den die ehrgeizige Lauring trotz der Beschäftigung mit den Außerirdischen um keinen Preis zurückgegeben hätte.
Freudig informierte Hauser über die Erfolg versprechenden Teilergebnisse, obwohl Ramlundt fachliche Kenntnisse auf diesem Gebiet abgingen. Dennoch unterhielten sich die beiden eine Weile über das Für und Wider assimilierender Tiere. Ramlundt gab zu bedenken, dass man da wohl nicht zwangsweise den Menschen ausschließen müsse, ob Hauser solches wolle. Der wies den Gedanken von sich. Aber was spätere Generationen… „Mein Gott, wenn sie es für nützlich halten… Den Teufel werden sie fragen, was wir heute darüber gedacht haben mögen. Moral, Ethik? Wann hätten sie in der Geschichte jemals eine Rolle gespielt, wenn es um Macht, Kapital und Ruhm ging. Und man muss auch stets fragen, um wessen Moral es geht und welcher Epoche sie verhaftet ist.“
„Eine Frage, Doktor Hauser. Was geschieht eigentlich mit – ihnen im weiteren Verlauf ihrer Entwicklung?“
Hauser begriff sofort, wen Ramlundt mit ,ihnen’ meinte. Er lächelte. „Haben Sie keine eigene Vorstellung? Es gibt eine, sagen wir, biologische und eine wirtschaftliche Komponente. Die biologische: Wir warten noch eine Weile, bis wir sicher sind, dass sie hier auf der Erde existieren können. Wenn ja, entscheiden wir, ob noch weitere entstehen sollen. Wir wissen nun, wie es geht und haben unbegrenzt Material. Irgendwann wird ein männlicher dabei sein, und wir erfahren, ob sie fortpflanzungsfähig sind. Sobald man die Öffentlichkeit einschaltet, geschickt, versteht sich, kann auch diese biologische Komponente in eine wirtschaftliche übergehen, wenn sie verstehen, was ich meine. Das Wirtschaftliche wiederum hat noch eine Facette, die mir sympathischer ist. Mit ihr könnten wir wahrscheinlich bereits in kurzer Zeit beginnen: Wir gehen davon aus, dass sie wesentlich intelligenter sind als wir. Wenn wir sie mit unserem Wissen voll stopfen, können wir davon ausgehen, dass sie in kurzer Zeit Neues, Epochales hinzufügen, zum Beispiel Fahrräder, Sie verstehen, die ihre Vorfahren vor Millionen Jahren fuhren, für uns neu erfinden. Das, mein Lieber, ist keineswegs absurd!“
„Aber Sie haben doch gerade vorhin… von Moral gesprochen, wenn es um Macht…“
„Ich bitte Sie, Ramlundt!“ Er unterbrach schroff. „Das heißt doch nicht, dass gerade ich ein scheinheiliger Prediger wäre. Schaun Sie mich an. Ich bin ein Produkt meiner Zeit.“ Er wiegte den Kopf. „Wo es mich nichts gekostet hat, habe ich freilich gesellschaftliche Regeln befolgt. Und Sie? Sie werden doch jetzt nicht umfallen, wo Sie selbst den entscheidenden ersten Schritt getan haben.“
„Umfallen werde ich nicht. Dennoch interessiert mich deren Zukunft.“
„Die liegt an uns. Und ich glaube, über
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