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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus Smolensk.‹ Ein witziges Männchen ist's. Du brauchst nicht zu zittern.«
    Als er mit Bettina – sie war das Mädchen – vor dem Wohnraum stand, stieß er die Tür mit einem Ruck auf, so daß sie gegen die Wand prallte. Bettina fühlte sich in das Zimmer geschoben wie ein großes, schweres, steifes Paket. Kolka Iwanowitsch Kabanow saß auf seinem Korbsessel, kratzte sich mit beiden Händen in den weißen Haaren und starrte das fremde Mädchen in dem zu langen Pullover Dimitris an.
    »Mein Wodka, Väterchen«, sagte Dimitri hinter Bettina fröhlich. »Mehr als zweihundert Gramm. Und auch ganz umsonst. Kostet kein Rubelchen, Väterchen. Was sagst du nun?«
    Bettina stand in der Tür, mit hängenden Armen, wie händelos, denn die Ärmel hingen ihr ja weit über die Hände. Sie sah den alten Kolka Iwanowitsch mit ihren flehenden blauen Augen an, und wie sie sich so ansahen, stumm, auf der einen Seite ängstlich und bittend, auf der anderen Seite mit sprachlosem Erstaunen, webte etwas Unbegreifliches ein unsichtbares Band zwischen sie und fesselte sie aneinander. Sie spürten es beide … sie sahen sich in die Augen, und es war ihnen, als seien sie immer zusammen gewesen, als käme nicht ein fremdes Mädchen im beginnenden Morgen in ein unbekanntes Haus, sondern alles war so selbstverständlich, so richtig, so einfach, kurzum natürlich, daß Kolka nickte, aufstand, zum Gasherd ging, die Tür des Küchenschrankes öffnete und noch drei Eier herausnahm.
    »Hunger wirst du haben, nicht wahr?« war das erste, was er zu Bettina sagte. »Ein paar Eierchen mit Speck sind das richtige.«
    Dimitri lächelte glücklich. Er umarmte Bettina von hinten und preßte sie an sich.
    »Wanda heißt sie, Väterchen. Wanda Fjodorowa. Sie sucht ihr Onkelchen Wanja in Tiflis. Gefällt sie dir?«
    Kolka drehte sich am Gasherd um. »Müde ist sie. Sieh sie dir an, Dimitri. Geh, mach ihr das Bett in deinem Zimmer.«
    »Eine böse Stiefmutter, Dunja, hat sie. Weggelaufen ist sie von ihr.«
    »Essen und schlafen«, sagte der alte Kolka streng. »Du redest zuviel, Söhnchen. Ein Menschlein wie Wanda hat noch viele Tage Zeit, mir alles zu erzählen.« Er sah Bettina wieder an, mit einem Blick, der nicht einem Fremden gehörte, sondern wirklich einem Väterchen. Zärtlich war dieser Blick. »Hast du nichts anzuziehen?«
    »Ich habe ihr die Kleider zerrissen«, sagte Dimitri.
    »Was hat er? Zerrissen? Die Kleider? Mein Sohn?« Kolka schüttelte wild die Pfanne mit den Eiern und dem Speck. »Verzeih es ihm, Wanduscha. Ein guter Junge ist er, gut erzogen von seiner Mutter, ein kluger Kopf, fürwahr. Nur geht sein Temperament oft mit ihm durch. Ein Grusinier, weißt du. Ist wie schäumender Wein, sein Blut. Er wird dir nachher neue Kleider kaufen, auch wenn's seine Ersparnisse kostet. Aber zuerst eßt ihr.«
    »Danke, Väterchen«, sagte Bettina leise. »Er hat mir die Kleider zerrissen, weil ich mich wehrte und ihn biß und kratzte. Ich wollte weglaufen vor ihm.«
    »An der Pipeline, Väterchen. Ich war im Dienst«, erklärte Dimitri.
    Kolka Iwanowitsch vergaß die Pfanne, als Bettina ihre ersten Worte sprach. Wahrhaftig, zum erstenmal vergaß er seinen Speck, und er wurde brauner, als er sein sollte.
    Wie sie spricht, dachte er und bekam einen leichten Schwindel. Wie eine Ukrainerin … oder nein, nein … wie eine Deutsche, die Russisch gelernt hat. Da sind die Worte so klar, die Sätze so grammatisch richtig, die Sprache so kühl wie aus einem Eisschrank. Batjuschka sagt sie … aber nur eine Vokabel ist's, gelernt, ohne den inneren Ton, den ein Russe in ›Väterchen‹ legt. Und dagegen ihre Augen, so voller Güte und Vertrauen. Ein merkwürdiges Mädchen ist's, das muß man sagen. Man wird Dimitri genau befragen müssen, woher sie kommt und wie er sie gefunden hat. Und verliebt ist das Jüngelchen, man sehe nur seine glänzenden Pferdeaugen. Wie ein Affe springt er herum, holt Teller und Tassen und benimmt sich wie ein Idiot. Es werden schwere Tage werden, Kolka Iwanowitsch.
    Dann aßen sie. Dimitri erzählte von den Manövern in den Bergen und wie er den Feldwebel angebrüllt hatte. Und noch während sie aßen, sank der Kopf Bettinas herunter, und sie schlief im Sitzen ein. Im Halbschlaf ließ sie sich von Dimitri ins Nebenzimmer führen, und so, wie sie war, in dem langen Pullover, fiel sie auf das Bett und schlief, kaum daß sie lag.
    »Man muß sie ausziehen, Väterchen«, sagte Dimitri besorgt. Aber Kolka hielt ihn fest.
    »Nicht alles

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