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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beobachtet hätte. So aber saß er zufrieden bei einem Glas Kognak auf der Terrasse der Botschaft, sah über den nächtlichen Rhein und das hell glitzernde Bad Honnef und kam sich wie ein Sieger vor.
    Daß er der Verlierer war, erkannte er erst viel später.
    Zu spät.
    *
    Wohin geht ein Mensch, der nichts mehr ist und nichts mehr hat? Der aus dem Osten floh und vor der Mauer des Westens zerschellte, der keinen Namen mehr hat, dem niemand mehr glaubt, der nur einen alten, geliehenen Smoking auf dem Leib trägt und in der Tasche genau 123 Rubel und 19 Kopeken? Wohin geht ein solcher Mensch?
    Das ist eine berechtigte Frage, denn Dimitri Sergejewitsch Sotowskij wußte darauf keine Antwort, obgleich es ihn ja anging und im wahrsten Sinne des Wortes eine lebensnotwendige Frage war. Zurück zum Hotel war unmöglich, denn ein Hotel, in dem Schejin wohnte, war kein internationaler Boden mehr. Es gab Schrankkoffer genug, mit denen man einen unliebsamen Menschen aus dem Hotel bringen kann, und keiner ist da, der zu einem sowjetischen Diplomaten sagt: »Bitte, öffnen Sie den Koffer!« Es wäre gegen alle diplomatischen Abmachungen, eine Verletzung der Immunität. Auch wenn die Immunität dazu dient, ein Verbrechen zu decken.
    Als erstes wandte sich Dimitri zum Hafen; wo sollte er auch hingehen? Ihm war bewußt, daß die Regierung in Tiflis, das Ölkombinat, das Ministerium in Moskau längst über die Flucht des Genossen Sotowskij unterrichtet waren, daß man die Wohnung durchsucht hatte und eigentlich nicht wußte, warum das alles geschehen war. Er ahnte, daß auch in Beirut die Agenten des KGB alle Hotels überwachten und es darum unmöglich war, sich ein Zimmer zu suchen, um diese Nacht in aller Ruhe zu verbringen und die Lage genau zu überdenken.
    Im übrigen verstand er wirklich nicht, was man mit ihm getan hatte. Gut, die Amerikaner hatten ihn den Deutschen weitergereicht, denn er wollte ja nach Deutschland. Aber was der deutsche Beamte ihm vorgelesen hatte, war eine Lüge, und er begriff einfach nicht, wieso man einer Lüge mehr glaubte als ihm, der aus Liebe zu einem deutschen Mädchen seine Heimat, seinen Beruf, seine gute Zukunft verlassen hatte.
    Für Dimitri Sotowskij kam jetzt die Zeit des Wartens. Wenn Väterchen Kolka und Bettina die Flucht aus Tiflis glückte, würden sie nach Beirut kommen. Das war besprochen, und so blieb es. Zu dreien würden sie dann wieder zur Handelsmission gehen und sich vorstellen: Seht, da sind wir! Wieso ist Bettina Wolter tot? Hier ist sie! Und wir wollen nach Deutschland, in die Freiheit, in ein neues Leben. Und dann mußte man ihnen glauben, denn ein lebender Körper ist mehr wert als ein Stückchen amtliches Papier.
    Der gute, liebe, treuherzige, glaubenswillige, idiotische Dimitri. So saß er also in der Nacht, angetan mit einem zerknitterten Smoking, am Hafen, kaufte sich von einem Limonadenhändler einen Becher süßer, klebriger Limonade aus Orangen, und sah über die schaukelnden weißen Leiber der Schiffe und den Wald von Mastbäumen und Takelwerk.
    Wie lange würden sie brauchen, Kolka und Wanduscha, dachte er. Über die türkische Grenze … in vier Tagen müßte es gelingen. Bei einem Umweg über Persien … zwei Wochen. Eine lange Zeit, wenn man sie abwarten muß. Mit 123 Rubel und 19 Kopeken in der Tasche und einem Smoking auf dem Leib. Ohne Paß, ohne die einzige Empfehlung seiner ehrlichen Absichten, als den treuen Blick seiner Augen und seine Beteuerung: Ich bin ein ehrlicher Mensch. Ein Akademiker bin ich sogar! Und das Opfer eines Irrtums bin ich, vielleicht auch das Opfer eines Mißtrauens; denn was ich zu erzählen habe, zu unglaubwürdig klingt es, Brüder. Aber, bei der Seele meiner Mamuschka, es ist die Wahrheit!
    Es mochte gegen ein Uhr morgens sein, da fand Dimitri in der Nähe des Badestrandes eine Bar, die noch geöffnet hatte und einem Russen gehörte. Sie nannte sich ›Datscha‹, diese Bar, hatte einen Eingang aus verkitschten byzantinischen Bögen, und aus dem Inneren klang Balalaikamusik. Allerdings spielte man keine Lieder vom Don oder der Wolga, sondern amerikanische Songs auf russische Art. Sie war eine Fremdenattraktion, diese ›Datscha‹.
    Auf einem gläsernen Parkett tanzte hier jede Nacht Darja, die ›schönste Russin von Astrachan‹ und warf ihre Kleider den Männern an den Kopf, bis sie nichts mehr anhatte als einen roten Stern im Bauchnabel. Das gefiel den Gästen, und Ilja Matwejewitsch Pikalow, dem Besitzer, füllte es die

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