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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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gekippt war, trieb ihr noch heute die Schamröte ins Gesicht.
    Pierre Germeaux war eine beeindruckende Erscheinung gewesen, umwerfend gut aussehend und Gentleman vom Kopf bis zu den Zehen. Und während sie damals kein Ende fand , den Franzosen in Gedanken mit Superlativen zu überhäufen, hatte er nichts Eiligeres zu tun gehabt, als sie neu einzukleiden, um sie ins „Ritz“ ausführen zu können.
    Der absolute Höhepunkt ihrer ersten Begegnung erwartete sie dann mit der Behauptung des Franzosen, nichts anderes als ihr leiblicher Vater zu sein.
    Ihre Dummheit, Naivität und Leichtgläubigkeit waren Pierre Germeaux dabei dankenswerterweise entgegengekommen. Sie hatte sich blenden lassen von seinem strahlenden Äußeren und seiner Eloquenz, von all dem Geld, mit dem er um sich geworfen hatte, und der scheinbaren Sicherheit, die er ihr großzügig anbot. Er legte ihr die Welt zu Füßen und sie war ihm hinterhergelaufen wie ein hirnloser Trottel.
    „Bea, was hast du?“ Alain machte ein betretenes Gesicht. Er konnte sich einfach nicht daran gewöhnen, dass sie nicht mehr spontan und übermütig auf seine harmlosen Scherze reagierte. „Ich wollte nicht … ich wollte dir nicht den Appetit verderben mit meinem Gerede.“
    „Nein, das hast du nicht“, wehrte sie schwach ab. Sie rang sich zu einem kläglichen Lächeln durch. „Ganz bestimmt nicht, Alain. Es ist nur … diese Leute …“
    Lautstarkes Grölen erfüllte den Raum. Sie erkannte die Männer sofort und wurde kreidebleich. Immer wieder kreuzten sie ihren Weg. Sie würden sie nie in Ruhe lassen. Der Narbengesichtige, der aussah, als hätte ihm ein Messer das Gesicht diagonal geteilt, saß an dem Holztisch genau wie der von Natur aus farblose Junge, dem die Sonne Afrikas die Haut krebsrot gebrannt hatte und der stets den Eindruck erweckte, als könnte er kein Wässerchen trüben. Doch sie wusste, er war schlimmer als die anderen.
    Alain bemerkte, wie sie am ganzen Körper zu schlottern anfing und sich entsetzt umdrehe n und davonlaufen wollte. Noch bevor sie dazu kam, hatte er ihr Handgelenk ergriffen. Sie schreckte sogar vor seiner Berührung zurück. Ungeachtet ihres stummen Protestes fasste er sie behutsam am Ellbogen und zog sie weiter in den Raum. Ihr Körper versteifte sich. Sie wagte kaum zu atmen und hielt ihren Blick gesenkt.
    „Keine Angst, meine Kleine“, vernahm sie Alains gedämpfte Stimme neben sich. „Vertrau mir. Es passiert dir nichts, solange ich bei dir bin. Hörst du?“
    „Nein. Ja.“
    „Kennst du diese Kerle?“
    Sie schluckte hektisch und versuchte voller Verzweiflung gegen den würgenden Ekel anzukämpfen. Auch ohne eine Antwort hatte Alain verstanden.
    Sie hörte ihn mit aufeinander gebissenen Zähnen keuchen: „Ich werde sie umbringen. Jeden einzelnen. Was immer sie getan haben, sie werden dafür bezahlen, das schwöre ich.“
    Sie musste sich zusammenreißen! Alain hatte Recht, hier konnte ihr nichts passieren. Er war bei ihr und würde sie beschützen, wenn ihr jemand zu nahe kam. E s sollte ihr wohl gelingen, vor den zotigen Witzen der Männer ihre Ohren zu verschließen. Wie konnte sie derart egoistisch sein und sich ungeachtet von Alains Gesundheitszustand ihrer kleinlichen Angst ergeben? Für einen Transplantierten waren Disziplin und Regelmäßigkeit im Tagesablauf und bei allen Erfordernissen, die das Leben mit sich brachte, absolut überlebensnotwendig.
    Sie nahm den kümmerlichen Rest ihres Mutes zusammen , drängte Alain vom Tisch der Männer weg und bemühte sich um ein Lächeln. „Lass uns den Tisch dort hinten in der Ecke nehmen“, bat sie ihn kaum hörbar.
    Der sanfte Druck seiner Finger bedeutete ihr: „Du bist nicht mehr allein.“ und gab ihr tatsächlich einen Teil ihrer Sicherheit zurück.
     
    Beate tupfte sich die Lippen mit der Papierserviette ab und gab ein letztes genussvolles Geräusch von sich. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und ihr Blick begegnete dem des Franzosen. „Ich danke dir für dieses wunderbare Essen. Es war wirklich gut. Einfach köstlich.“
    Er wollte schon gleichmütig abwinken, als er sich eines Besseren besann. Jemand, der nicht regelmäßig eine Mahlzeit auf dem Tisch stehen hatte, musste sich in dieser heruntergekommenen Kneipe vermutlich wie im Himmel auf Erden fühlen. Und diesen kostbaren Augenblick wollte er ihr nicht verderben, stattdessen ihre Zufriedenheit und ihr Lächeln in sich aufnehmen und festhalten.
    „Es freut mich, wenn es dir geschmeckt hat.“
    Er

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