Begegnungen (Das Kleeblatt)
entlassen.“
„Du hast sie …“ Beate stolperte über dieses Wort. „Wieso?“
„Die neuen Hausbesitzer wollten das Personal nicht übernehmen.“
„Die neuen … neue Hausbesitzer? Für dein Haus?“ Ungläubig starrte sie ihn an und es war das erste Mal, dass sie ihm offen in die Augen schaute und seinem Blick standhielt. „Du hast Chez le Matelot … Du hast die Villa verkauft?“, krächzte sie atemlos.
„Ja“, bestätigte er in einem gelangweilten Ton, als würden sie von einem Paar löchriger Socken reden, welches er entsorgt hatte.
„Einfach so?“
„Wie sonst?“, lachte er und strich ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Es war wirklich ganz einfach.“
„Du bist in diesem Haus aufgewachsen!“
„Und wenn schon. Das ändert nicht das Geringste daran, dass ich es nie als mein Zuhause betrachtet habe.“
„Und dein … Atelier?“
„Genauso.“
„Nein!“ Mit einem Schreckenslaut sank sie auf der Straße in die Knie. „Warum bloß? Du hast so hart dafür gearbeitet, so lange davon geträumt. Was hast du …“
Sie wagte nicht , weiter zu fragen. Sie ahnte längst, dass Alain die letzten Jahre mit der Suche nach ihr verbracht hatte. „Es ist alles meine Schuld.“
„ Ist es nicht. Ich hätte diese verfluchte Hütte schon viel früher verlassen sollen. Als Pierre noch lebte und mir das Leben zur Hölle machte. Du hast bestimmt nicht vergessen, wie viele schreckliche Erinnerungen an dieses Haus es für mich gibt. Und ohne dich … Es ist mir ganz und gar nicht schwergefallen, das alles hinter mir zu lassen, denn nachdem du nicht mehr da warst, war es noch weniger als zuvor ein Zuhause für mich.“
Er kniete sich vor Beate. Seine Fingerspitzen berührten ihre Hände, ganz leicht bloß. Sie wehrte ihn nicht mehr ab.
„Gib dir nicht die Schuld daran, Bea. Wenn ich es im Nachhinein genau bedenke, ist es unerträglich, wie oft mir andere ihren Willen aufzwingen konnten. Dieses eine Mal allerdings war es mein freier Entschluss. Ich und nur ich wollte es so und nicht anders und habe es deswegen auch ganz genau so bis zum Ende durchgezogen, wie ich es mir vorgenommen hatte. Bea, wir werden uns ein neues Haus bauen, ein viel helleres, freundlicheres, mit vielen Kinderzimmern und einem großen Garten, in dem unsere …“
Er hielt inne, als er die feuchten Flecken auf Beates Kleid bemerkte. „Bea, Süße, du musst nicht weinen. Jetzt wird alles gut. Cat ist bald wieder gesund und dann fahren wir gemeinsam nach Paris zurück und …“
Sie stieß ihn hart von sich und sprang auf. Ihre grünen Augen funkelten ihn voller Empörung an. „Warum willst du es nicht verstehen, du verdammter Sturkopf? Wie oft muss ich noch sagen, dass ich nicht weg kann!“
„Dann erkläre es mir endlich!“, schrie er zurück. Sein anklagender Blick harrte unverwandt auf Beates Gesicht. „Ich will versuchen , es zu verstehen, also gib mir, verdammt noch mal, auch die Chance dazu!“
„ Komm mit“, murmelte sie widerwillig und reichte ihm ihre Hand. „Dort drüben haben wir es bequemer.“
Schnaufend trottete er hinter ihr her auf die andere Straßenseite. Sein Gesicht war rot angelaufen vor Wut und sein Blutdruck vermutlich auf hundertachtzig. Kopfschmerzen bohrten sich durch seinen Schädel wie gefräßige Würmer. Wenn er doch bloß nicht seine Tabletten vergessen hätte! Er lehnte sich Halt suchend an den Baumstamm und verschränkte die Arme vor der Brust, während sich Beate auf dem harten Gras niederließ.
„Und? Ich höre!“ Seine Stimme bebte vor mühsam unterdrücktem Zorn. „Auf deine Erklärung bin ich wirklich sehr gespannt.“
Beate senkte den Kopf. Sie wollte seinem anklagenden Blick jetzt nicht ausgesetzt sein. Natürlich hatte er Recht, trotzdem durfte sie ihm das weder sagen, noch sonst in irgendeiner Weise zu verstehen geben.
„Sie haben mir meinen Pass abgenommen. Ich war mit Cat schwanger, als ich hierher kam, und folglich hat sie keine gültigen Papiere oder wenigstens einen Eintrag in meinem Ausweis. Wir können nicht weg, selbst wenn wir es wollten. Oder hast du vor, uns als blinde Passagiere außer Landes zu schmuggeln?“
„Wenn fehlende Papiere der einzige Grund sind, dann verspreche ich dir, dass ich mich darum kümmern werde. Ich fahre zur Botschaft und veranlasse alles Erforderliche.“
„Und welche Geschichte willst du denen erzählen? Wer soll dir glauben, dass ich unfreiwillig aus Deutschland hierhergebracht wurde? Und man mich gezwungen hat …
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