Begegnungen (Das Kleeblatt)
dass ich nicht einmal eine Geburtsurkunde für Cat besitze. Selbst mein Pass ist längst abgelaufen.“
„Bea, was haben sie gegen dich in der Hand? Womit erpressen sie dich? Wer bedroht dich? Ich werde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um dir zu helfen. Du hast mir das Leben gerettet und ich möchte endlich meine Schuld einlösen.“
„Du schuldest mir gar nichts, Alain.“
„Dann lass mich dir helfen, weil ich dich liebe.“
„Ich kann nicht weg. Ich muss hier bleiben, bei Katrin.“
Sein harter Blick schien sie durchbohren zu wollen. Er wusste, dass sie log. Es musste einen anderen Grund für ihre Weigerung geben , mit ihm zu kommen.
„Es geht Cat bereits viel besser. Sie wird es verstehen, wenn wir es ihr erklären. Wir werden ein Flugzeug in die Hauptstadt nehmen und sind in zwei Tagen mit den Pässen zurück.“
„Nein, A lain. Ich werde nirgendwohin gehen.“ Ihre Stimme klang eiskalt und entschlossen. „Ich habe zu viel gesehen und gehört. Und selbst erlebt. Ich stecke mittendrin, verstehst du das nicht? Cat ist nicht sicher, solange sie in meiner Nähe ist. Deswegen möchte ich, dass du … Nimm sie mit nach Hause, nach Paris. Bring sie in Sicherheit.“
„Und was soll aus dir werden? Glaubst du ernsthaft, ich würde dich noch ein einziges Mal allein lassen?“
„Wenn ich jetzt mit euch gehe, werden sie hinter uns dreien her sein. Dann hat nicht einer von uns eine Chance.“
„ Ich will nicht länger ohne dich leben!“ Er bedachte sie mit einem Blick, wie sie ihn nicht mehr gesehen hatte, seit sie sich vor jenem verhängnisvollen Urlaub an Bord einer Segelyacht voneinander verabschiedet hatten – halb sehnsüchtig und halb erfüllt von der schmerzlichen Erwartung eines Verlustes, der sich einfach nicht verhindern ließ.
„Du bist nicht allein. Du trägst die Verantwortung für unsere Tochter, schon vergessen?“
Wenngleich sie dabei lächelte, zerriss es ihr fast das Herz. Sie wusste, es gab keine andere Möglichkeit. Sie hatten keine Chance auf eine gemeinsame Zukunft. Doch nur, wenn sie dieses Opfer brachte, würde Alicia Katrin überleben.
„Bitte, Alain, bring Cat fort von hier“, beschwor sie ihn. „Versprich es mir. Anschließend kannst du dich darum kümmern, dass ich einen Pass bekomme und ausreisen kann.“
Er reichte ihr seine Hand und zog sie auf die Füße. „Es ist spät. Und ich bin wirklich müde. Lass uns morgen weiter darüber diskutieren.“ Nur widerwillig gab er ihre Hand frei. Dann räusperte er sich verlegen. „Wenn du … Du könntest dein Kleid waschen und über Nacht trocknen. In meinem Zimmer. Es ist warm genug und …“
Mit angehaltenem Atem beobachtete er das Lächeln, das den Weg zu ihren Lippen fand. Sie blickte ihn mit vorsichtigem Zutrauen an. Ganz leise ver nahm er ihre Antwort, in Alains Ohren dagegen klang es wie das schallende Gloria in excelsis Deo .
3 2. Kapitel
Gierige Hände griffen nach ihr. Sie wollte sich umdrehen und weglaufen, aber sie konnte ihren Blick nicht von den dürren Fingern mit den widerlich gelben Nägeln wenden, die wie Spinnen auf sie zu krochen. Immer schneller bewegten sich die langen Glieder. Sie waren so schnell, dass sie ihnen nicht entkommen konnte. Ganz deutlich erkannte sie die rotblonden Haare auf der durchscheinenden Haut und ihre eigenen Nackenhaare stellten sich vor Abscheu auf.
Nein, sie wollte das nicht! Sie wollte nicht, dass diese Hände sie berührten! Ihr Mund öffnete sich zu einem Schrei, doch sie bekam nicht den leisesten Ton über ihre zerbissenen Lippen. Während ihr Bewusstsein sie stets aufs Neue zu Angst und panischen Schrecken zurückführte, kämpfte ihr geschwächter Körper darum aufzuwachen.
Sie schüttelte hektisch den Kopf und wehrte sich voller Verzweiflung gegen die Hände, die sie fast eingeholt hatten. Gleich würden sie ihren Arm packen. Sie wollten sie auf den staubigen Boden werfen und ihr wehtun, immer und immer wie der, bis der Samen einmal mehr in ihr aufgegangen war. Erst dann würde sie für eine kurze Zeit Ruhe vor ihnen haben.
Sie schlug wild um sich und schrie schrill auf, sodass Alain mit einem Schlag hellwach war und kerzengerade in die Höhe schoss. Er spürte den stechenden Schmerz nicht, der durch seinen Körper fuhr. Blitzschnell war er auf den Beinen und am Bett seiner Frau. Sein Herz zog sich zusammen, als er Beate keuchend nach Atem ringen sah. Noch immer wälzte sie sich unruhig hin und her. Er entdeckte die Tränen auf ihrem kalkweißen Gesicht
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