Begegnungen (Das Kleeblatt)
versuchte sie es erneut. „Ja!“ Schon besser.
„Und wenn ich dich streicheln will, wirst du es zulassen und es genießen?“
„Mach doch, was du willst. Mir kannst du keine Angst einjagen“, behauptete sie, obwohl ihre Stimme dabei dermaßen zitterte, dass sie kaum noch zu verstehen war.
Die Sekunden verrannen. Ihre Worte, denen die folgende Stille noch mehr Gewicht verlieh, hallten in ihnen wider.
„Dann beweise es mir“, bat er endlich, nachdem eine ganze Weile verstrichen war.
Aber in dieser Zeit war Beate stutzig geworden. In seinem Schweigen lag so viel Unausgesprochenes, Sehnsucht, Anspannung, vor allem jedoch Furcht vor ihrer Zurückweisung. Und da wusste sie, dass die Entscheidung ganz allein in ihrer Hand lag, weil er sich nie mit Gewalt nehmen würde, was sie ihm freiwillig zu geben bereit war. Und etwas anderes nicht von ihr verlangte. Er selber war vor Jahren das Opfer sexueller Gewalt geworden und daran beinahe zugrunde gegangen.
Ihr e grünen Augen durchdrangen seine gespielte Nonchalance mühelos. Ihr Blick hatte schon immer eine physische Reaktion in seiner Brust hervorgerufen, irgendetwas zwischen Herzflattern und strahlender Wärme. (Und selbstverständlich verursachte er auch eine Reaktion tiefer unten.) Nun enthielt dieser Blick eine unausgesprochene Frage, als sie sich aufsetzte und Alain mit sanftem Druck an den Schultern auf das Kissen drückte. Langsam senkte sie ihren Kopf über ihn, während sie noch murmelte: „Keine Angst mehr. Vor dir schon gar nicht!“
„Gott sei Dank! “, seufzte er beseelt. „Du wirst dir immer ähnlicher.“
3 3. Kapitel
Die Wärme der Morgensonne drang in sein Bewusstsein und weckte ihn behutsam aus einem wundervollen Traum. Eine unerklärliche Zufriedenheit zauberte ein Lächeln auf seine Lippen. Einen Moment noch wollte er die wohltuende Stille und das Gefühl der Geborgenheit genießen, die ihn wie ein schützender Mantel einhüllten und ihm grenzenlosen Frieden vorgaukelten. Er erinnerte sich nicht mehr, wann zuletzt er derart tief hatte schlafen können und ohne bohrende Kopfschmerzen aufwachte.
Ein Geräusch dicht neben ihm ließ Alain aufhorchen. Schlagartig wich alle Schläfrigkeit von ihm. Mit einem Ruck richtete er sich auf und starrte einen Atemzug lang wie vom Donner gerührt auf die Frau in dem breiten Bett des Hotelzimmers. Beate lag neben ihm, ihren Kopf auf einen angewinkelten Arm gestützt, und betrachtete ihn schmunzelnd.
„Guten Morgen, Schlafmütze “, begrüßte sie ihn und strich mit einer liebevollen Geste eine Haarsträhne aus seinem Gesicht.
„Ist es schon …“, er gähnte ungeniert und in seinem Atem war dabei ein tiefer, pfeifender Unterton zu hören, „so spät?“
„Noch viel später.“ Sie zog ihn neben sich auf das Kissen zurück und zauste sein langes Haar. „Aber so kenne ich dich“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
„Ich hoffe, du …“ Er hielt inne und hustete so heftig, dass seine Schultern bebten. „Weil ich … hier … Hej, lachst du etwa über mich?“
Er zog sie auf seine Brust und nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände.
Wie gut das tat, lachen nach Herzenslust, ihn anschauen dürfen und berühren, nie mehr alleine sein. Nie mehr.
„Du lachst mich aus“, stellte er beunruhigt fest.
„Ich musste gerade daran denken, dass es schon sieben lange Jahre her ist, seit ich am Morgen neben diesem verrückten Kerl in Paris aufgewacht bin. Der hatte übrigens genauso zotteliges, schwarzes Haar wie der, der heute neben mir im Schlaf gelächelt hat.“
„Und hat der vielleicht auch in Hemd und Jeans geschlafen und widerlich nach Kneipe, Schweiß und Staub gestunken?“
Ihre Hand streichelte über seine eingefallenen Wangen. „Als ich dir das erste Mal gegenüber stand, hattest du tatsächlich eine furchtbare Schnapsfahne. Und als wir das erste Mal miteinander im Bett gelegen haben, hattest du ebenfalls Hemd und Hose an.“
Sein Lächeln erstarb mit einem Schlag. „Du sagst das, als wäre nicht jedes einzelne dieser Erlebnisse mit schrecklichen Erinnerungen für dich verbunden. Wir sind uns in einem der schlimmsten Augenblicke meines Lebens begegnet. Halbtot, geschunden, missbraucht und unter Mordverdacht, obendrein ein Vatermörder, trotz allem hast du mich nicht verurteilt oder vor Abscheu das Weite gesucht, sondern dich daran gemacht, mich zu retten – selbst als ich deine Hilfe abgelehnt habe. Dir und keiner anderen sonst ist es gelungen, einen Weg zu meinem Herz zu finden. In
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