Begegnungen (Das Kleeblatt)
Zimmerdecke dankte er demütigst dafür, dass zumindest ein bescheidener seiner Wünsche für den Rest der Nacht erhört worden waren. Vorsichtig ließ er sich auf die Matratze sinken und streckte sich mit einem Seufzer aus. Er hatte kaum die Augen geschlossen, als er bereits eingeschlafen war.
Schlaftrunken fuhr sie auf und blickte sich verwirrt um. Die Dunkelheit der sternenlosen Nacht verhinderte, dass sie sich sofort zurechtfand. Für einen Moment hörte ihr Herz zu schlagen auf, als ihr klar wurde, dass die Hände sie eingeholt hatten und sie mit festem Griff umklammert hielten. Sie registrierte den schweren Arm, der sich um ihre Hüfte geschlungen hatte, und die Hand, die sich Besitz ergreifend gegen ihren Bauch drückte. Starr vor Schreck wagte sie nicht, sich zu bewegen.
Der Mann in ihrem Rücken murmelte im Schlaf etwas Unverständliches und sie spürte den Hauch seines warmen Atems in ihrem Nacken. Solange er nicht aufwachte, würde er ihr nicht wehtun. Sie musste bloß ganz still liegen bleiben.
Je mehr sie sich allerdings auf eine gleichmäßige Atmung konzentrierte, desto hektischer flog ihre Brust. Sie zwang sich zur Besonnenheit, doch immer mehr wurde ihr verkrampfter Körper von Schauern grenzenloser Furcht geschüttelt. Sie wollte laut aufschreien, um die unerträgliche Spannung zu lösen. Aber das durfte sie nicht. Er würde ihr wieder wehtun. Sie hörte den Mann dicht an ihrem Ohr brabbeln und schrak zusammen.
„Bea. Ich liebe dich.“
Sie hatte diese Stimme schon einmal gehört. Und irgendwann erkannte sie auch seine Worte. Nur einer hatte ihr so etwas in den vergangenen Jahren gesagt. Und es gab nur einen, den sie liebte.
„Du zitterst ja, Kleines. Ist dir kalt?“
„Nein!“
„ Was hast du?“
„Ich … nichts. Nichts. Es ist nichts.“
„Ich will dich bloß festhalten. Nichts anderes, hörst du? Du musst keine Angst vor mir haben , weil ich dir nie etwas antun würde.“
„Ich habe keine Angst. Keine Angst vor dir. Nein. Es geht vorbei, ich weiß, es tut nicht weh.“ Monoton leierte sie die Worte vor sich hin, immer wieder, wie eine Beschwörungsformel, die ihr die Furcht nehmen sollte vor dem, was gleich geschehen würde.
Alain war sich nicht sicher, ob sie träumte oder tatsächlich zu ihm redete. Oder war er es, der das alles träumte? Er richtete sich halb auf und stützte sich auf den Ellbogen.
„Bea, hör auf damit“, stieß er heftiger hervor, als er beabsichtigt hatte. „Was soll dieses Gerede? Dreh dich um und sieh mich an!“
Er fasste sie selbst dann nicht an, als sie seiner Aufforderung nicht sofort nachkam, sondern wiederholte lediglich gereizt: „Beate, sieh … mich … an! Gut. Und jetzt sage mir, ob ich mich dir jemals gegen deinen Willen aufgedrängt habe. Ob ich dir jemals Gewalt angetan habe. Glaube mir, ich werde nie vergessen, was Gewalt und Missbrauch aus einem Menschen machen. Niemals könnte ich einem anderen antun, was ich erlebt habe. Und schon gar nicht jemandem, den ich liebe. Weshalb genügt dir mein Versprechen nicht? Was willst du noch? Soll ich vielleicht draußen vor der Tür schlafen wie ein verlauster Hund? Oder, um ganz sicher zu gehen, irgendwo im Freien? Sag schon! Der Fußboden ist verdammt hart und das Bett breit genug für uns beide. Also, was soll ich deiner Meinung nach tun?“
Seine Worte klangen ziemlich gefühllos, das wollte er gar nicht bestreiten, doch was er gesagt hatte, war sein voller Ernst. Und es tat ihm in der Seele weh, derart grob zu ihr zu sein, aber sie musste endlich begreifen, dass sie ihm vertrauen konnte.
Ihre Augen blitzten kampflustig, ihre Blicke kreuzten sich wie Klingen.
Um einen forschen Ton bemüht, erwiderte Beate: „Schrei mich nicht so an, verdammt noch mal. Ich war nur erschrocken … ein wenig … und ich habe nicht gleich erkannt, dass … dass du es bist. Und ich habe keine Angst vor dir.“
„Ach ja?“, provozierte er sie mit lauerndem Unterton. „Dann darf ich also die Nacht in deinem Bett verbringen?“
„Von mir aus.“
„Ganz dicht neben dir?“
„Hmpf!“ erwiderte sie nach einem Augenblick gereizten Schweigens und hob beinahe trotzig die Brauen.
Er musterte sie und unterdrückte dabei seine Belustigung. Den Wettstreit, wer von ihnen arroganter sein konnte, würde sie nie gewinnen.
„Und ich darf meinen Arm um dich legen und an dich heran rücken, bis sich unsere Körper berühren, um mich an dir zu wärmen?“
„J-ja.“ Das klang nicht sehr bestimmt. Also
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