Begegnungen (Das Kleeblatt)
sollen?“
„Wenn ich wenigstens nicht eingeschlafen wäre, dann hätte Pierre keine Möglichkeit gehabt , dir Gewalt anzutun.“
„ Be-a-te! Verdammt noch mal, Pierre hätte am nächsten oder übernächsten Tag oder sonst irgendwann die Gelegenheit ergriffen, um das oder etwas Ähnliches zu tun und mich zu demütigen!“ Er keuchte angestrengt und biss die Zähne aufeinander. „Und jetzt will ich nie wieder darüber reden, verstanden? Denn es gibt nichts mehr dazu zu sagen. Wir beide wissen, was damals passierte, und können nichts daran ändern. Und Pierre ist tot und kann uns nicht mehr schaden oder zum Narren halten und uns gegeneinander ausspielen.“
Betroffen senkte Beate den Kopf. „Es tut mir leid, Alain. Du hast wohl Recht.“
„ Worauf du Gift nehmen kannst. Pierre hat mit seinem ritterlichen und galanten Auftreten doch nicht bloß dich um den Finger gewickelt. So viele sind auf ihn hereingefallen. Niemand von Rang und Namen, keiner seiner Geschäftspartner oder Bekannten hätte ihm etwas Derartiges zugetraut. Sogar deine Mutter hielt ihn für einen liebenswerten, sympathischen Menschen.“
„ Meine Mutter?“ Beate musterte ihn mit gerunzelter Stirn. „Woher weißt du das?“
„Adrian hat mir die Adresse gegeben .“ Er machte ein himmlisch unschuldiges Gesicht, zuckte gleichmütig mit den Brauen und drehte seine Handflächen nach oben. „Dank seiner Hilfe konnte ich deine Mutter finden und mit ihr reden.“
„Dieser Verräter“, brummelte sie , musste allerdings bei der Vorstellung schmunzeln, wie der penible Mann ihrer Freundin Suse durch die riesige Wohnung in Rostock wuselte und lauthals fluchend und schimpfend zwischen all ihrem Schreibkram – oder im Schuhschrank? – nach der Adresse suchte. Sie kannte Susanne Reichelts chaotisches Wesen von ihrer gemeinsamen Zeit im Studentenwohnheim. Dieser Frau ging wahrlich jeder Sinn für Ordnung ab. In ihrem Zimmer waren schon halbe Autos verloren gegangen. Suse hatte ihre Umwelt nicht bloß einmal an den Rand der Verzweiflung getrieben, weil sie ständig etwas verlegte und suchte. Warum sollte es Adrian anders ergangen sein?
„Und sie hat dich wirklich zu Wort kommen lassen?“, erkundigte sich Beate voller Zweifel. „Meine Mutter?“
„Ich habe ihr davon erzählt, dass ich dich bitten möchte, meine Frau zu werden.“
Nein! Oh nein, bitte nicht ! Sie wollte mit ihm nicht darüber reden. Sie konnte nicht so tun, als lebten sie in einer heilen Welt – ausgerechnet hier und jetzt! –, als gäbe es lediglich ihn und sie und ihren Wunsch zu heiraten.
Sie hielt den Kopf gesenkt, als sie die kümmerlichen Reste des Frühstücks zusammenpackte und sich mit weichen Knien vom Bett er hob. „Wir sollten uns auf den Weg ins Krankenhaus machen. Katrin ist kein sehr geduldiger Mensch.“
Sie bemerkte nicht, wie sich Alains Miene verdüsterte und er seine Lippen fest aufeinander presste. Erst als er nicht reagierte, blickte sie zu ihm auf und erschrak. Sein Gesicht war hart wie Granit und zum Zerreißen gespannt. Eisig. Tödlich. Ihr Herz raste, als sie den Schmerz und das Verlangen in seinen Augen bemerkte. Ihre Hände begannen zu flattern. Sie verschränkte sie ineinander, um das Zittern unter Kontrolle zu halten.
„Alain , warum tust du das?“
„Was? Mir wünschen , dich zu heiraten?“ Er zögerte keine Sekunde lang mit seiner Antwort. „Dieser Wunsch ist doch ganz natürlich, wenn man einen Menschen mehr als sein Leben liebt und mit ihm für immer zusammen sein möchte.“
Seufzend ließ sie die Schul tern sinken. Was sollte sie darauf erwidern? Warum machte er es ihnen schwerer, als die ganze Sache ohnehin schon war?
„Kein Problem , Bea. Möglicherweise hast du mich falsch verstanden. Ich habe dir keinen Heiratsantrag gemacht, sondern lediglich erzählt, wie ich mich deiner Mutter vorgestellt habe, nämlich als der Mann, der dich um deine Hand bitten wird.“ Er lachte Eisklumpen. „Ach, was soll’s? Ich habe schließlich noch alle Zeit dieser Welt, dich zu fragen.“
34. Kapitel
Dem Mädchen war die Freude ins Gesicht geschrieben, als ihre Eltern das Krankenhauszimmer betraten. Das erste Mal sah Cat ihre Mutter Seite an Seite mit ihrem strahlenden, heldenhaften Ritter aus Frankreich. Der zwinkerte ihr in gerade diesem Augenblick zur Begrüßung verschwörerisch zu und ihr Herz hüpfte vor Glück.
Jetzt würde alles gut werden.
Sie stellte keine Fragen, denn sie spürte, etwas Geheimnisvolles ging zwischen den
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