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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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Areals ragte ein windschiefer, hölzerner Glockenturm wie ein ausgebleichtes Gerippe in die Höhe.
    Es war der Friedhof des Dorfes.
    Kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er wusste, dass er sämtliche Informationen über Beate solange in Frage stellen musste, bis er selber die Beweise für deren Richtigkeit in den Händen hielt. Er war auf alles vorbereitet und Gefühle durften zu diesem Zeitpunkt keinen Platz in ihm finden.
    Ungeduld ig winkte der Alte ihn zu sich.
    „Da .“ Er deutete auf einen nachlässig aufgeschütteten Erdhügel. „Da ist sie, die Sie suchen. Beate Schenke, die weiße Frau mit den grünen Augen.“ Er blickte auf und hob mit einer bedauernden Geste seine Hände. „Tja, tut mir aufrichtig leid, dass Sie den weiten Weg aus Europa umsonst gemacht haben. Aber so ist das nun mal, mein Sohn. Gottes Wege sind unergründlich.“ Ein verschlagener Ausdruck in den mausgrauen Augen des kleinen Paters strafte seine mitleidigen Worte Lügen. Er beugte sich näher zu dem Fremden. „Sie sprechen ein perfektes Französisch, perfekter noch als diese Frau. Und ihr Akzent ist ein anderer, weniger Deutsch. Ist das möglich? War sie eine nahe Verwandte von Ihnen?“
    „Ja“, antwortete er knapp, obwohl er vor unterdrücktem Zorn innerlich bebte.
    Um sich nicht zu verraten, senkte er den Kopf wie zu einem stummen Gebet. Langsam ließ er sich auf ein Knie nieder und legte seine Hand auf den Hügel. Unauffällig gruben sich seine Finger in die Erde, was der Pater nicht sehen konnte, da er mit dem Oberschenkel den Blick auf seine Hand verdeckte. Er atmete erleichtert auf, als er spürte, dass sich die Erde kühl und feucht anfühlte. Das bestätigte seine Vermutung und Hoffnung, Beate lebend zu finden. Er war vor zwei Tagen in einem Motel fünfzig Kilometer von hier abgestiegen und von daher wusste er, dass während dieser Zeit kein einziger Tropfen Regen gefallen und der Hügel also erst während der letzten Stunden aufgeschüttet worden war.
    „Wann …“ Seine Stimme brach und er musste sich nicht verstellen, um nach der Nachricht – oder Lüge – von Beates Tod erschüttert zu wirken. Er würgte an dem Kloß, der ihm die Kehle verschloss. „Wie und wann ist das passiert?“
    „Das geht mitunter schnell in dieser unwirtlichen Gegend, müssen Sie wissen. Sehr schnell. Ein … ein Schlangenbiss. Vermutlich. Sie war beim Holzsammeln, als es passierte. Vor einer Woche.“
    Sehr einfallsreich, dachte er zornig. Das war Alicia Katrin, die von einer Schlange gebissen und von Alain Germeaux gerettet worden war. Es gibt hier nicht so viele von diesen giftigen Biestern, dass sich solch eine Tragödie in einer Familie innerhalb kürzester Zeit wiederholt.
    „Sie war allein?“
    „Seit ihr süßes Töchterchen nicht mehr da ist, ja.“
    „Ich meine, als sie …“, es widerstrebte ihm, diese Lüge zu wiederholen, „als sie von dieser Schlange gebissen wurde. Warum hat ihr niemand geholfen? Es muss doch irgendwo einen Arzt geben.“
    „An jenem unglücksseligen Tag bedauerlicherwe ise nicht. Der einzige Arzt, der hier praktiziert, wurde zu einer Entbindung gerufen. Da waren ernsthafte Komplikationen für das Baby aufgetreten und der Arzt stundenlang in ein weit entlegenes Dorf unterwegs.“
    Es presste ihm die Eingeweide zusammen, als der Alte eine Entbindung erwähnte. Er hatte Beates Tagebuch gelesen. Ihre Enthüllungen hatten eingeschlagen wie eine Bombe und nicht nur seine eigenen Wertvorstellungen grundlegend verändert. Deswegen war er davon überzeugt, dass dieses Baby gerettet worden war. Wer fragte schon nach der Mutter? Eine Frau im gebärfähigen Alter zu ersetzen war einfacher, als weitere neun Monate auf ein Kind zu warten.
    „Hat sie irgendetwas … irgendwelche persönlichen Dinge hinterlassen? Bargeld, Schmuck oder ähnliches?“
    „ Wo denken Sie hin? Nein, da gab es wirklich nichts, das sie hätte vererben können.“
    „Ich werd e den Totenschein mitnehmen. Wegen der Formalitäten in Deutschland.“
    „Selbstverständlich. Ordnung muss sein, sogar hier, wo man eher das Ende der Welt als die Einhaltung bürokratischer Vorschriften vermuten mag. Woher, sagten Sie, kommen Sie? Aus Deutschland? Da kennen Sie sich ja mit diesen Dingen aus. Ich werde mich darum kümmern. Schauen Sie bei der nächsten Gelegenheit bei mir vorbei.“
    Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, würde ihm dieser verschlagene Gnom ohne Zweifel einen täuschend echten Totenschein vorlegen. Anscheinend waren sich

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