Begegnungen (Das Kleeblatt)
hatte Adrian eine Frau gefunden, die ihn ungeachtet seiner Andersartigkeit aufrichtig liebte, und das schlechte Gewissen begann sich in Frithjof Peters zu regen, obwohl ihm natürlich bewusst war, dass er sein Gewissen ohne Schaufel und Exhumierungsanordnung nie finden würde.
„Führt eigentlich irgendeiner von uns – ein einziger nur? – ein normales Familienleben?“, fragte Adrian niemand bestimmten, denn Frithjof war überzeugt, dass er die Antwort kannte. „Sobald man einem der Jungs eine Waffe in die Hand drückt, funktionieren sie zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. Wenn man uns dagegen eine Frau vor die Füße schubst, sind wir nicht in der Lage, unseren eigenen Hintern zu finden – nicht mal mit beiden Händen und einer Taschenlampe. Angel ist genau solch ein Idiot wie ich, weil er nicht zu schätzen weiß, was ihm unverdientermaßen geschenkt wurde – eine Frau, die ihn mit all seinen Macken liebt.“
Er schüttelte mit einem Ausdruck des Abscheus den Kopf. „Na schön, erzähl mir von dem Auftrag, mit dem Angel unterwegs war.“
In knappen Worten sk izzierte Peters, was Adrian wissen musste.
„Warum ich? Warum, Frithjof?“
„Du kennst Angel.“
„Ich? Ganz bestimmt nicht. Er kennt sich doch selber nicht einmal. Oder hast du vergessen, mit welchem Problem sich Angel herumschlägt?“
„Du bist der Einzige, der dieser Aufgabe gewachsen sein wird.“
„ Himmel hilf! Wie tief bist du gesunken, wenn du deine letzte Reserve mobilisieren musst“, spottete er. „Dass du auf so etwas wie mich zurückgreifst. Auf das Letzte!“
„ Ich will den Besten dafür.“
Wie immer hatte Frithjof Recht. Während seiner Ausbildung war er , Adrian Ossmann, stets der Beste gewesen. Das Team hatte gelernt, genau auf ihn zu achten, selbst wenn er hin und wieder etwas tat, das vollkommen sinnlos wirkte, denn fünf Sekunden später rettete ihm genau diese verrückte Aktion das Leben. Wenn er sprang, sprangen die anderen und bisher hatte Frithjof nicht einen der Jungs dabei verloren. Adrian war bei seinen Einsätzen gejagt worden und hatte gejagt. Er hatte dank seiner außergewöhnlichen Intelligenz und Reaktionsfähigkeit, seiner Ruhe und seines Mutes überlebt.
Dennoch waren ihm die anderen aus dem Weg gegangen. Angel Stojanow, der Einzige, den er in der Truppe seinen Freund nannte, hatte ihn mit einer gewissen Zurückhaltung und Vorsicht als „seltsam anders“ bezeichnet. Und dass, obwohl Angel selber mit Fähigkeiten aufwarten konnte, die ihn nicht unbedingt zu einem Normalsterblichen machten. Adrian hatte gewusst, was dieses Anderssein in ihren Augen bedeutete: Sie hielten ihn für einen Psychopathen.
„Das ist Ewigkeiten her. Und ich war nie stolz darauf.“
„Du wirst wieder …“
„Sanni ist schwanger“, unterbrach Adrian ungestüm seinen Vorgesetzten. „Ich werde sie unter keinen Umständen gerade jetzt allein lassen.“
„Sie wird nicht allein sein, wenn sie für einige Zeit zu ihren Eltern fährt.“
Adrian schüttelte angewidert den Kopf. „Wie habt ihr das geschafft? Habt ihr lediglich das Telefon angezapft oder Wanzen gleich im gesamten Haus verteilt? Im Schlafzimmer? Unter unserem …“, er senkte die Stimme und wackelte mit den Augenbrauen, „unter unserem Bett?“
„Adrian, du kennst das Spiel.“
„Damals gab es Susanne noch nicht“, protestierte er gequält.
„Es tut mir l eid.“
„ Ach ja? Dann wirst du vermutlich in der letzten Zeit außer Suses Schluchzen nicht viel gehört haben, was dir Stangenfieber beschert hätte. Ja, sie hat tatsächlich vor, ohne mich Urlaub zu machen.“
„Gut.“
„Gut? Was soll daran gut sein?“ Die Hände des jungen Mannes krallten sich an der Tischkante fest. Wahrscheinlich wäre er sonst mit geballten Fäusten auf Frithjof losgegangen. Sein Gesicht lief rot an. „Verdammt noch mal, was ist daran gut? Frithjof, ich will nicht mehr! Lass mich aussteigen, ich flehe dich an! Ich schaffe das nicht, ich bin krank, das siehst du doch selber. In diesem Zustand bin ich zu nichts zu gebrauchen. Ich werde es bloß vermasseln.“
Peters erwiderte nichts. Sein Herz zog sich zusammen, als er den verzweifelten Ton in der Stimme seines Freundes hörte. Er durfte sich davon nicht ablenken lassen, rief er sich zur Ordnung. Sie wussten beide, dass Adrian zwar Recht, aber im selben Maße auch keine Wahl hatte. Ob er sich in der Lage fühlte oder nicht, spielte keine Rolle. Es interessierte einfach nicht. Ihnen beiden blieb nichts anderes,
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