Begegnungen (Das Kleeblatt)
bringen.“
Misstrauisch hob Adrian die Augenbrauen. „Eine Weile? Warum?“
„ Muss ich dich daran erinnern, was du unterschrieben hast?“
„ Wie … lange?!“
„Na schön, ich werde es dir sagen : Ich weiß es nicht, Adrian. Denn du allein hast es in der Hand, wie lange es dauern wird. Zunächst wirst du die Entziehung durchstehen und das psychische Durcheinander ordnen, das die letzten Jahre in dir angerichtet haben. Anders bist du zu nichts nütze. Und anschließend wirst du offiziell wieder zur See fahren.“
Ungläubiges Staunen breitete sich über Adrians hageres Gesicht und verwischte für einen Augenblick seine Angst und Wut. Frithjofs bestimmter Ton ließ nicht den geringsten Zweifel daran aufkommen, dass bereits alle dafür erforderlichen Schritte eingeleitet waren. We r immer diese Sache beschlossen hatte, war davon ausgegangen, dass Adrian Ossmann keinerlei Mitspracherecht einforderte.
Wie gut sie ihn kannten!
Jetzt war es an Frithjof, seiner Verwunderung über das Ausbleiben einer Reaktion von Adrians Seite Ausdruck zu verleihen. „Du sagst nichts? Das ist es doch, was du wolltest, seit du von der ‚Heinrich’ abgestiegen bist, oder etwa nicht?“
„Das ist es, was ich wollte“, wiederholte der junge Mann tonlos und schüttelte bedächtig den Kopf. „Wollte ich das? Ist es das wirklich? Woher nimmst du diese Gewissheit, du verdammt arrogantes Miststück?“
Resigniert und mit einem tiefen Seufzer ließ er den Kopf sinken. „Ich will dir etwas verraten, mein Freund. Manchmal ändern sich die Dinge. Sie ändern sich mitunter ganz gewaltig. Und sogar Menschen können sich ebenso wie ihre Träume und Wünsche ändern. Das passiert manchmal völlig ungeplant. Von heute auf morgen. Und meine Prioritäten haben sich nun einmal in Richtung Familie verschoben. Jetzt gibt es Susanne. Und unser Baby. Ich brauche die Seefahrt nicht. Und euch noch weniger! Dich und Angel Stojanow und diesen Scheiß-Verein!“
Mit einer fahrigen Handbewegung wischte er sich de n kalten Schweiß von der Stirn.
„Ich … ich brauche etwas … zu trinken“, schnaufte er und wühlte hektisch in seiner Hosentasche. „Na, mach schon , kannst mir einen Whiskey bestellen, schön alten, irischen oder von mir aus auch irgendeinen anderen Fusel, Hauptsache, er dreht ordentlich. Noch bin ich ein anerkannter Säufer. Und ich gedenke, das bis zur letzten Sekunde meiner Freiheit in vollen Zügen auszukosten.“
Er blickte Frithjof Peters provozierend an und riss die Hand in die Höhe. „Was?! Worauf wartest du? Tu einer bedauernswerten Seele wenigstens einmal etwas Gutes.“
Mit stoischer Ruhe hatte Peters den verbitterten Worten des jungen Mannes gelauscht, doch seine nach außen zur Schau getragene Gelassenheit trog. Der Schmerz in Adrians Stimme traf ihn mehr, als er sich in diesem Moment selbst an Gefühlen zugebilligt hätte. Es widerstrebte ihm, erneut eine Familie zu sehen, die durch sein Zutun auseinandergerissen wurde. Dabei gab er selbst lediglich Befehle weiter. Über Sinn und Unsinn hatte er genauso wenig zu urteilen wie Adrian. Die verantwortlichen Offiziere hatten ihn nicht einmal ausreden lassen, als er alle möglichen Einwände gegen ihre Entscheidung, Adrian mit dieser Aufgabe zu betrauen, vorbrachte.
Er kramte in der Innentasche seiner Jacke und zog einen zusammengefalteten Zettel hervor, den er über den Tisch schob. Mit einer angewiderten Grimasse legte Adrian seine Hand darauf und nahm das Pa pier an sich, ohne einen Blick darauf zu werfen.
„Genügen drei Tage zur Vorbereitung?“
„Wie immer.“
„Wann wird deine Frau fahren?“
„Bis zu meinem Marschbefehl ist sie weg.“
„Ich melde mich bei dir.“
Adrian schaute ihn lange schweigend an. Jeder einzelne Muskel seines Körpers spannte sich an, obwohl er sich nicht bewegte. Er sah aus wie ein Tiger kurz vor dem Sprung.
„Davon bin ich überzeugt. Pünktlichkeit und Ordnung waren die ersten Lektionen, die du uns eingetrichtert hast. Auf dich konnte ich mich immer verlassen.“
Tu es nicht. Tu das besser nicht, Junge.
8. Kapitel
Sie strahlte vor Freude über das ganze Gesicht, als ihr Mann völlig unverhofft und, wie sie bei einem vorsichtigen Blick in seine Augen feststellte, nüchtern vor ihr stand. Ihr Herz klopfte schneller und im ersten Moment wusste Sus anne nicht, was sie sagen sollte.
„Du bist schon zurück?“, entfuhr es ihr atemlos.
Es war mit Abstand eine der dämlichsten Fragen in der Geschichte der Menschheit,
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