Begegnungen (Das Kleeblatt)
nicht bei seiner Arbeit unterbrechen. „Ob ich ihn kenne? Um Gottes willen, nein! Bea ist diesem … diesem Schönling im vergangenen Sommer während einer Urlaubsreise begegnet. Ich habe ihn lediglich aus der Ferne gesehen. Ein wirklich toller Hecht, muss ich neidlos gestehen. Neidvoll, natürlich“, berichtigte er sich mit kläglichem Lächeln. „Und eifersüchtig. Welch faszinierender Anblick, wie er in schmucker Kapitänsuniform auf dem Deck einer schneeweißen Yacht auf und ab stolzierte und nicht bloß das Schiff und seine Crew fest im Griff hatte. Damals hätte ich fast geglaubt, Bea … sie wäre mit ihm …“ Ein bitteres Lachen beendete seinen Satz. Alain machte eine wegwerfende Handbewegung, die den Eindruck vermitteln sollte, dass er endgültig einen Schlussstrich unter dieses Kapitel gezogen hatte. Was machte es noch für einen Unterschied, was er geglaubt hatte? Er wusste nur, Bea war fort. Bea, der größte und wertvollste Schatz, den er ungeachtet seines immensen Vermögens je besessen hatte.
„Deswegen also dieser misstrauische Blick, mit dem du mich vorhin bedacht hast. Nicht alle Kapitäne sind …“
… gut aussehend, groß, sexy, kurzum: einfach tolle Hechte? Unwillkürlich straffte Clausing die Schultern. Na ja, eigentlich schon.
„… wie dieser Kerl“, kratzte er nicht gerade elegant die Kurve.
„Sag mir eins, wusste er wirklich Antwort auf alle Fragen?“
Überrumpelt starrte Clausing Alain an. „Answer? Du meinst, weil er … er ist … also …“ Der Kapitän war überzeugt, dass er sich nicht dämlicher hätte anstellen können, wenn er als Schaf zur Welt gekommen wäre. „Verdammt noch mal, ich hätte es vielleicht auf Französisch sagen sollen“, brummelte er in seinen Bart.
„Was ist mit seinem richtigen Namen?“
„Keine Ahnung. Möglich, dass ich ihn irgendwann mal gehört habe.“ Clausing zuckte mürrisch mit den Schultern. „Eumel, Türzu, Jambo, Nussknacker, Hirschel – meine Güte, jeder hatte seinen Namen an Bord, aber die wenigsten wussten, wie der andere tatsächlich hieß oder wo er herkam. Und er war für alle eben Answer. Er ist als Stift auf dem Schiff gefahren, auf dem ich als Second angemustert hatte. Und da hatte er diesen Namen schon. Er ist ein paar Jahre jünger als ich. Außerdem kenne ich ihn nicht sonderlich gut.“
Und ich war vor allem nie daran interessiert, die Bekanntschaft mit diesem Großmaul zu vertiefen, ergänzte er in Gedanken.
„ Ich glaube nicht, dass Bea dich seinetwegen verlässt. Unsinn, ich bin mir sogar ziemlich sicher. Willst du mir nicht verraten, was Bea von dieser Gritta aus Tornesch wollte?“
„ Das lässt sich nicht so einfach erklären. Es ist eine komplizierte Geschichte um einen Doppelmord in Paris, um Vergewaltigung und Organhandel. Ich weiß nicht, welche Verbrechen außerdem im Zusammenhang damit aufgedeckt werden könnten. Vielleicht möchte ich es auch gar nicht wissen. Aber wenn Beate tatsächlich …“
Der Kapitän suchte in den Augen des Franzosen nach einer Antwort, doch der wendete unsicher seinen Blick ab. Er nickte, denn er kannte diesen verräterischen Ton, der nach „Ich will zwar nicht lügen, allerdings kann ich dir auch nicht die Wahrheit sagen“ klang. Er war ihm schon viel zu oft begegnet, als dass er ihn missverstehen konnte.
Alain wird seine Gründe haben, redete sich Clausing ein. Es geht mich außerdem gar nichts an. Ich kenne weder Beate noch diese Gritta. Und Susanne will mich nicht kennen. Also, frag nicht weiter.
Dazu kam er ohnehin nicht mehr, denn das Geräusch eines Schlüssels, der im Türschloss umgedreht wurde, beendete die drückende Stille in der Wohnung.
„Oh, Besuch?“, ließ sich Adrian Ossmann vernehmen, als er Alains Mant el an der Garderobe hängen sah. Er steckte seinen Kopf durch die Küchentür und grüßte mit einem nichts sagenden Lächeln. „Aus Paris, nicht wahr? Welcher Sturm hat dich zu uns geweht, Alain?“
Mi t knappen Worten gab Matthias wider, was ihm der Franzose kurz zuvor erzählt hatte.
Es war ein Albtraum, in den sich Adrian ohne Vorwarnung versetzt sah. Er schüttelte immer wieder ungläubig den Kopf, während das Adrenalin durch seine Adern schoss und sich ein dumpfer Druck unter seiner Schädeldecke aufbaute. Niemand konnte so gut wie er den Verlust eines geliebten Menschen nachfühlen. Beinahe schlimmer war allerdings noch eine andere Empfindung, die von ihm Besitz ergriff, eine böse Vorahnung von drohendem Unheil und Leid. Sein
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