Begegnungen (Das Kleeblatt)
Bauchgefühl sandte zweifelsfreie Botschaften bis in die hinterste Ecke seines Hirns. Er unterdrückte ein Stöhnen, indem er die Zähne in seine Unterlippe grub und die Hände zu Fäusten ballte, um sich auf diesen Schmerz zu konzentrieren.
Besorgt beobachtete der Kapitän, wie sein Freund blass wurde und sich mit zitternden Händen die Schläfen rieb. Er wusste genau, was gleich folgen würde und mühte sich um Ablenkung.
„ Na schön, Jungs, was haltet ihr davon, wenn wir erst einmal zu Abend essen und dann in Ruhe überlegen, was wir tun können?“
„Ich brauche vor allem etwas zu trinken“, schnaufte Adrian und wischte sich den Schweiß von Stirn und Nase. Dem Trommler in seinem Kopf hatte sich inzwischen ein besonders eifriger Trompeter hinzugesellt, der sich offenbar die Lunge aus dem Leib tröten wollte.
In Clausings Augen funkelte eine scharfe Warnung, die Adrian nicht beeindruckte, sondern lediglich zu einem verächtlichen Grinsen veranlasste. Er hob begütigend die Hände und murrte: „Schon gut, Alter. Sollte ein Scherz sein.“
Schweigend saßen sie beim Essen und hingen ihren Gedanken nach. Die Luft war geladen wie vor einem Gewitter, drückend und schwer lag sie über den Männern und suchte nach einem Ventil.
„Hast du eigentlich schon einmal daran gedacht, dass Beates Auszug vielleicht … vielleicht “, wiederholte der Kapitän nachdrücklich, „einen ganz anderen Grund haben könnte?“
Er blickte erwartungsvoll zu Alain, der bloß die Augenbrauen hob und offenbar den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen schien.
Clausing seufzte und bemerkte geduldig: „Ist es möglich, dass Beate … schwanger ist?“
Urplötzlich war auch der letzte klägliche Rest von Farbe aus Alains Gesicht gewichen. Seine erschreckte Miene ließ darauf schließen, dass er an diese Möglichkeit im Zusammenhang mit ihrem Verschwinden bislang nicht gedacht hatte. Nein, er wusste nicht, ob Bea schwanger war. Ja, gewiss, theoretisch könnte sie ein Kind von ihm erwarten. Aber war es tatsächlich so? Woran hätte er das merken sollen? Wenn er ihr in den zurückliegenden Tagen nur etwas mehr Aufmerksamkeit geschenkt hätte! Bestimmt hätte sie es ihm erzählt. Oder von ihren Plänen, Paris zu verlassen.
Ein Kind von Bea und sein Glück wäre perfekt!
Doch was, wenn sie in der irrigen Annahme, das Baby sei von ihrem Halbbruder, bereits in einer Klinik war, um es … loszuwerden?
Mit geschlossenen Augen biss er knirschend seine Zähne aufeinander. Um Gottes willen, nein, daran durfte er nicht denken! Bea würde sein Kind nicht töten.
Er reckte das Kinn, aber die Männer konnten ein Meer an unterdrückten Emotionen auf seinen Zügen entdecken. „Das glaube ich nicht“, bellte er heiser.
„Du glaubst es nicht? Sicher bist du dir allerdings auch nicht. Und wenn es nun …“ Clausing druckste verlegen herum. „Du hast gesagt, Bea und Answer hätten sich vor einem Jahr wiedergesehen. Was, wenn sie sich später noch einmal getroffen haben? Wenn Bea von …“
„Von ihm schwanger ist? Mit ihm auf und davon ist?“
Verwundert blickte Adrian von seinem Freund zu Alain und wieder zurück zu Matt ’n. Im gleichen Augenblick fielen ihm seine eigenen Worte ein. Hatte er nicht selber Suse verdächtigt, das Kind eines anderen zu erwarten? Die Erinnerung an diese haltlose Unterstellung trieb ihm die Schamröte ins Gesicht. In seinem Kopf veranstalte jetzt ein ganzes Orchester einen Höllenlärm und übertönte beinahe Clausings nächste Worte.
„Es könnte durchaus sein!“, verteidigte der aufgebracht seine keineswegs so abwegigen Überlegungen. „Wie schon gesagt, ich kenne Answer noch als grünen Stift. Er hat sich nie irgendwelche Gedanken gemacht, wenn es um das Verführen von Frauen ging. Und es war ihm vollkommen gleichgültig, wenn er sie mit gebrochenem Herzen zurückließ, sobald er ihrer überdrüssig war.“
Ob Answer genauso über ihn herzog? Worin unterschieden sie sich eigentlich voneinander?
„Vielleicht hat er sich ja geändert“, murmelte er.
Was sehr unwahrscheinlich war. Oder hatte er selber sich gebessert? Nun, zumindest hatte er sich darum bemüht. Seit er Suse kannte, hatte er keine Frau länger als eine Nacht in seiner Nähe ertragen. Die kleine Funkerin hatte es geschafft, dass er nur noch an sie denken konnte. Suse dagegen wollte nichts von ihm wissen, sondern hatte ihr Herz seinem Freund geschenkt – und er war mit gebrochenem Herz zurückgeblieben. Er wusste um die
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