Begegnungen (Das Kleeblatt)
ich auf der Suche nach ihr.“
„Ja, das sieht ihr ähnlich.“ Beates Mutter lachte freudlos. „Auf die gleiche Art und Weise hat sie von uns Abschied genommen. Ohne Rücksicht auf andere musste sie um jeden Preis ihren Kopf durchsetzen. Blind und taub für gut gemeinte Ratschläge hat sie ihre eigenen Ziele verfolgt. Sie ist so furchtbar starrsinnig, ein Steinbock eben. Es war nie einfach, mit ihr zurechtzukommen.“
„Das ist wahr.“
Trotz allem vermisste er sie!
Eine Pause entstand, in der sie Erinnerungen heraufbeschworen, bis sich Beates Mutter zu einer Frage durchrang: „Woher hat sie von Pierre gewusst? Wir haben nie von ihm gesprochen. Sämtliche Papiere, die ihn betrafen, habe ich in einem Safe meiner Bank deponiert, zu dem nicht einmal mein Mann Zutritt hat. Wie also konnte sie ihn finden?“
„Oh nein, nicht Beate ihn, sondern er hat sie hier in Deutschland ausfindig gemacht und nach Paris eingeladen. Pierre gab vor , ihr Vater zu sein.“
„W elch eine infame Lüge! Wie konnte er wagen, etwas Derartiges zu behaupten?“
Erst da bemerkte Alain, dass sie die gleichen ausdrucksvollen Augen wie Beate hatte. Er hielt unwillkürlich die Luft an und spürte schmerzhaft seinen trommelnden Herzschlag.
„Ich habe Pierre immer wieder beteuert, dass ich Beate nicht von ihm empfangen haben konnte. Ihr Vater allerdings wollte es nicht wahrhaben. Selbst das Ergebnis des Vaterschaftstestes hat er angezweifelt und nicht akzeptieren wollen. Erst nach einer Unterlassungsklage zog er sich zurück.“
„Könnte das der Grund dafür sein, dass er Beate jetzt zu sich holte? Um sich an Ihnen für seinen verletzten Stolz zu rächen? Weil er vor sechsundzwanzig Jahren seinen Willen einmal nicht wie gewohnt durchsetzen konnte? Er muss es als Erniedrigung empfunden haben, dass Sie Ihren Mann nicht verließen, um mit ihm eine Familie zu gründen.“
„Nach so vielen Jahren? Meine Güte! Sie sagen es selber – sechsundzwanzig Jahre. Ich bitte Sie, welches Interesse sollte Pierre nach einer halben Ewigkeit haben, sich zu rächen? Würden Sie ihm das denn zutrauen?“
„Ja “, kam wie aus der Pistole geschossen seine Antwort. „Pierre konnte es nicht ertragen, wenn er nicht immer und überall die erste Geige spielen durfte. Er hat mich sogar dafür gehasst, dass mich sein Vater adoptierte und ich als gleichberechtigtes Familienmitglied in seinem Haus aufwuchs.“
„ Was nur recht und billig war. Immerhin sind Sie Pierres Sohn und damit sein rechtmäßiger Erbe.“
„Sein illegitimer Erbe“, verbesserte Alain vorsichtig. „Und das nahm er mir bis vor wenigen Wochen übel. Ich bin nicht sicher, ob es Sie interessiert, dass Pierre nicht mehr lebt.“
„ Das tut mir leid, allerdings sollten Sie nicht erwarten, dass ich noch irgendwelche Gefühle für ihn hege.“
„Natürlich nicht. Übrigens erfuhr ich erst nach Pierres Tod, dass ich sein Sohn bin. Das hat Beate …“ Alain fuhr sich nervös mit den Fingern durch das blauschwarz glänzende Haar und holte tief Luft. „Frau Schenke, Sie sollten wissen, dass ich Beate liebe. Ich möchte Sie um Erlaubnis bitten, Bea heiraten zu dürfen.“
Er lächelte verlegen, als er anfügte: „Sie selber weiß noch nichts davon. Sie ahnt genauso wenig etwas von dem ärztlichen Gutachten, welches Sie Pierre schickten und ihn als Vater disqualifiziert. Deswegen muss Beate nach wie vor annehmen, wir seien Geschwister. Und aus eben diesem Grund will ich sie finden. Ich muss sie finden, bevor sie … etwas Unüberlegtes tut.“
Was immer das auch sein würde.
„ Bitte, helfen Sie mir, Frau Schenke!“
Sie strich über die welken Blätter eines Rosenstrauches und starrte gedankenverloren vor sich hin , als müsse sie die Blumen genau im Auge behalten, damit keine von ihnen aus dem Garten floh. Langsam ließ sie sich auf die weiß gestrichene Bank sinken.
„Monsieur Germeaux, glauben Sie mir, ich würde Ihnen gerne helfen. Bedauerlicherweise kann ich mir nicht vorstellen, was Sie von mir erhoffen. Ich werde Ihnen meinen Segen geben, wenn Beate Sie heiraten möchte, und Ihnen viel Kraft, Geduld und starke Nerven für ein Leben mit ihr wünschen. Doch mehr für Sie zu tun, steht nicht in meiner Macht. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo sie sich aufhalten könnte. Ich weiß weder Namen noch Adressen irgendwelcher Freunde – einfach nichts. Sie hat sich uns schon vor langer Zeit entfremdet.“
Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein. So leid es mir für Sie tut, ich
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