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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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kann Ihnen keine Hilfe sein. Und das trifft genauso auf meinen Mann oder meine Söhne zu. Geben Sie mir Ihre Adresse, damit ich Kontakt zu Ihnen aufnehmen kann, sollte sie hier wider Erwarten auftauchen. Und dann muss ich Sie bitten, uns nicht länger zu behelligen.“

1 4. Kapitel
     
    Seine Sinne arbeiteten auf Hochtouren, dennoch spürte er die eisige Kälte und den schneidenden Seewind nicht, die durch seine dünne Kleidung drangen. Wie bei den meisten Einsätzen zuvor hatte er auch dieses Mal auf eine Körperpanzerung verzichtet. Nichts sollte seine Beweglichkeit einschränken, bloß weil er um sein armseliges Leben fürchtete. Ein Leben, das schon lange nicht mehr seines war und ihm aus diesem Grund nichts galt.
    Er war darauf gedrillt, sein Schmerzempfinden wie auf Knopfdruck auszuschalten. Gefühle lenkten den Verstand ab. Gefühle konnten tödlich sein, deswegen waren sie in seinem Job verboten. Wer sich dennoch den Luxus eines fühlenden Herzens gestattete, wurde mit allen Mitteln auf den rechten Weg zurückgebracht.
    Dass ihnen das keine Mühe bereitete, hatten sie zu oft mit nachhaltiger Wirkung bewiesen.
    So sehr er sich über all die Jahre hinweg bemüht hatte, seine Erinnerungen zu unterdrücken und in die hinterste Schublade seines Gedächtnisses zu verbannen, so oft sah er noch immer den schlaksigen Jungen mit den ehrlichen, märchenhaft blauen Augen vor sich. Angel Stojanow war naiv genug gewesen, selbst nach all den grausamen Misshandlungen unbeirrt an das Gute im Menschen zu glauben und die Welt ändern zu wollen. Letztlich hatten sie ihn nicht nur körperlich, sondern auch seelisch zerbrochen, in ihre Schablonen gepresst und ein willfähriges Werkzeug aus ihm gemacht.
    Es gab keinen Frieden für einen wie ihn, nirgendwo. Die Vergangenheit kehrte immer wieder und legte sich über den zaghaften Versuch der Gegenwart, ihn vergessen zu lassen. Angels Schreie waren ein Teil von ihm, so tief in ihn einge brannt wie der Schmerz seiner eigenen Verluste.
    Er schob die Erinnerung von sich, vergrub sie unter den tausend Schatten der Finsternis, unter denen er selbst sich nicht mehr verstecken konnte, und richtete seine Aufmerksamkeit, einem verlässlichen Instinkt vertrauend, auf das, was hinter seinem Rücken vorging. Als Spieler hätte er auf genau drei Männer gewettet, die in diesem Augenblick zu seiner Unterstützung anrückten. Sie bewegten sich lautlos und blieben unsichtbar, solange das Szenario es erforderte.
    Wie immer hatte er vorab nicht gefragt, wer neben ihm im Dreck liegen und wie er sein Leben riskieren würde für diesen einen Mann. Er wusste genauso wenig, ob die anderen ebenfalls das Zielobjekt kannten.
    Sie waren Einzelkämpfer und hatten keine Fragen zu stellen.
    Für ihn allerdings hatte der Vermisste ein Gesicht und einen Namen, was diesem Unternehmen einen Sinn gab. Und doch machte gerade dieser Umstand alles so viel komplizierter. Es weckte unerwünschte Erinnerungen in ihm. Und Gefühle.
    Plötzlich verengten sich seine Augen, wurden undurchdringlich und hart. Augen ohne Emotionen. Alles Menschliche war mit einem Wimpernschlag aus ihm verschwunden. Jetzt war er wieder ganz der Kämpfer mit einem Auftrag, dem alles andere untergeordnet war. Sogar sein Leben. Adrenalin schoss durch seinen Körper und seine Nerven fingen zu vibrieren an. Mit untrüglicher Sicherheit bereiteten sie ihn auf das Signal vor, mit dem er seit Stunden rechnete. Seine Muskeln spannten sich erwartungsvoll.
    Wie zuvor übernahmen seine Instinkte das Ruder. Er wurde zu einem unbeteiligten Zuschauer seiner eigenen Taten. Er versuchte, nicht zu denken, sich vollkommen seinen Instink ten zu überlassen, denn er wusste, sein Leben hing davon ab.
    Bruchteile von Sekunden später gab der Knopf in seinem Ohr das vereinbarte Code-Wort für den Zugriff weiter und riss den Strom seiner Gedanken ab. Vorsichtig hob er den Kopf und spähte um sich. Mit der Geschmeidigkeit und Schnelligkeit einer Raubkatze glitt er vorwärts. Aus den Augenwinkeln registrierte er neben sich zwei Männer in erdfarbenen Tarnanzügen. Sie regten sich nicht. Obwohl er ihre Gesichter nicht sehen konnte, wusste er, dass sie nicht einmal ihre Augen bewegten. Sie würden ihrem Befehl gemäß warten, bis er den Eingang des Hauses erreicht und gesichert hatte. Dann erst würde das Kommando zum Nachrücken an sie gehen. Selbst wenn es Tage dauern würde.
    In diesem Moment war er wieder eine dieser gesichtslosen Gestalten ohne Namen, ohne eigenes Ich,

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