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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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sich in seinem Kopf bemerkbar, als der Arzt ohne ein Anzeichen des Erkennens an ihm vorbei lief und das Verlies betrat.
    Er war dabei, den Verstand zu verlieren! Er wurde wahnsinnig! Hatte er völlig vergessen, aus welchem Grund er sich hier aufhielt? Hatte er nicht den eindeutigen Befehl, den seit zwei Jahren vermissten Angel Stojanow aufzuspüren? Wie konnte er annehmen, Angel würde munter und fidel hinter Peters her spazieren, ohne dass der ihn bemerkte? Seine Sinne spielten ihm einen Streich, eine andere Erklärung gab es nicht. Er schüttelte heftig den Kopf, als könnte er damit die Bilder loswerden, die sich vor seinem inneren Auge gesammelt hatten.
    Und doch hätte Adrian Ossmann sogar jetzt noch und wider besseres Wissen geschw oren, Angel gegenübergestanden zu haben. Angel Stojanow, dem Jungen mit den blauen Augen, der zur gleichen Zeit im Raum nebenan auf dem nackten Beton lag und mit dem Tod rang.
    Der Boden verwandelte sich in Treibsand, der langsam unter seinen Füßen nachgab und ihn in die Tiefe zog. Die Wände wackelten, aber sie stürzten nicht ein, sondern schoben sich aufeinander zu und drohten , ihn zwischen sich zu zermalmen.
    Kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Wie eine Marionette an ihren Fäden wandte sich Adrian um und bewegte sich mit steifen Gliedern den Gang entlang, darauf bedacht, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Mechanisch setzte er einen Fuß vor den anderen und merkte nicht, wie er dabei wankte. Er bekam nicht mehr mit, was um ihn herum passierte, weil seine Augen starr geradeaus auf das helle Viereck am Ende der Treppe gerichtet waren, das in endloser Ferne, unerreichbar für ihn zu liegen schien. Unsanft prallte er mit einem rothaarigen Jungen zusammen, der sich mit einer Krankentrage abmühte und einen Notfallkoffer hinter sich her zerrte. Adrian spürte nicht, wie er auf den letzten Stufen stolperte und sich den Arm prellte, als er auf den Steinplatten aufschlug.
    Endlich im Freien sog er gierig die frische Luft ein. Er torkelte gegen die Hauswand, an der er sich mit beiden Händen abstütze, bemerkte nicht, wie ihm der Schweiß aus allen Poren trat, und vor seinen Stiefeln ins Gras tropfte. Er schüttelte sich vor Kälte und Ekel. Im Zeitlupentempo ging er in die Knie und erbrach sich qualvoll.
    Sie hatten ihren Auftrag erfüllt, den seit zwei Jahren vermissten Angel Stojanow zu finden und nach Hause zu bringen. Für ihn hatte er seine Frau und sein ungeborenes Kind allein gelassen. Und für ihn war er dabei, sich selbst zu verlieren.
     
    „Adrian?“
    „ Versch…schwinde!“ Mit einer unkontrollierten Bewegung hob er seine Hand, die auf halbem Weg kraftlos wieder nach unten sank.
    „Was ist da drin passiert?“
    Erst beim zweiten Versuch kam er auf die Beine und lehnte sich Halt suchend mit dem Rücken an die Hauswand. Im Unterbewusstsein registrierte er, dass der Wind an Stärke zugenommen hatte und inzwischen schweren Schnee vor sich her trieb. Sein Blick ruhte auf dem Helikopter, der in der Zwischenzeit auf der Wiese hinter dem schlossähnlichen Gebäude gelandet war, um Stojanow in die Klinik zu bringen.
    „S o ist das nun mal“, flüsterte er, ohne seinen Kopf abzuwenden. „ Shit happens .”
    „Was ist mit dir?“
    „W-was?“
    „Was ist los, Junge?“
    „Hast du das nicht gesehen? Sie haben ihn verhungern lassen. Sie haben ihn gefoltert, schlimmer noch, als ihr es damals getan habt. Und dabei nennt ihr euch die wahren Spezialisten. Auf so etwas allerdings … seid nicht mal ihr gekommen. Nicht mal ihr habt ihn …“
    „Adrian, ich will wissen, was mit dir ist!“
    „Ich hätte ihn früher finden müssen. Es ist alles meine Schuld. Wenn ich ihn bloß ein paar Tage …“
    „Wir h aben ihn aber nicht früher gefunden“, fiel Peters ihm ungewöhnlich barsch ins Wort. „Und es macht schon gar keinen Sinn, irgendjemandem Vorwürfe zu machen.“
    „Mein Auftrag lautete, ihn zu retten. Du dagegen wolltest nichts davon hören, als ich dich gewarnt habe, dass ich es nicht schaffe. Ich habe noch nie zuvor … Und dann ausgerechnet Angel! Weshalb habt ihr mich nicht schon vor einem Jahr losgeschickt? Gleich, nachdem er verschwand? Warum musstet ihr so lange warten? Wir hätten ihn retten können, wenn ihr nur eher ausgeschlafen hättet!“
    „Um ihn zu retten, hätten wir hexen müssen.“
    „Ein gut gemeinter Rat von mir: Tu mir den Gefallen und erzähle mir beim nächsten Mal, wenn ich wieder jemanden für dich suchen soll, gleich den lustigen Teil

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