Begierde
Sie kicherte. »Kann es sein, dass es gar nicht stimmt, was man über dich erzählt? Hast du das Gerücht, du wärst nymphoman selbst in die Welt gesetzt?«
Auf Vickys Kopfhaut setzte ein Kribbeln wie von Tausend Ameisenfüßen ein. Sie ließ sich rücklings auf die Bettdecke fallen, um Annas Blick zu entgehen. »So ein Quatsch, wie kommst du denn darauf?«
Anna ließ nicht locker. Sie sprang von ihrem Bett, kniete sich neben Vicky, und stützte sich mit einer Hand auf der anderen Seite von Vickys Arm auf. Sie schaute ihr direkt in die Augen. »So, du Unschuld aus der Großstadt, erzähl mal, was ist los mit dir?«
»Was soll schon los sein? Ich weiß gar nicht, was du meinst.« Am liebsten hätte Vicky Anna einfach weggestoßen.
»Bist du lesbisch?«
Anna reagierte schnell. Als Vicky sich empört aufrichtete, drückte sie ihre beiden Oberarme herunter. Sie beugte sich tiefer, bis sich ihre Nasenspitzen fast berührten.
»Hör auf mit dem Scheiß. Lass mich los!« Vicky strampelte mit ihren Beinen, aber Anna war doch zu schwer, um sie abzuschütteln.
»Nee, zuerst sagst du mir die Wahrheit. Oder – ich erzähle der Patrona, dass du es heimlich mit Paolo treibst.«
»Bist du verrückt? Ich kenne keinen Paolo.«
»Ich weiß. Aber ich. Das ist der Kerl, der täglich das frische Gemüse liefert. Und ich bin sicher, da lässt sich was einfädeln. Vielleicht gefällt er dir sogar. Mitte zwanzig, temperamentvoll, immer gut drauf – der ist so heiß, der vögelt dich jederzeit und überall. Wenn du es also nötig hast? Aber ich glaube, der Patrona würde das gar nicht gefallen.«
»Wie kannst du nur so gemein sein? Und überhaupt, warum sollte die Patrona das glauben? Sie würde diesen Paolo fragen und er würde erklären, dass alles gar nicht stimmt.«
Anna lachte. »Bist du dir da so sicher? Wenn ich ihm einen blase, behauptet der sogar …«
»Hör auf!«
»Gut. Kommen wir zurück zu dir. Warum macht dich das Thema Sex mit Männern so verlegen, hm? Bist du nun lesbisch oder nicht?«
»Nein.«
Vicky saß in der Falle. Anna würde nicht aufgeben, bis sie eine zufriedenstellende Antwort erhielt. Aber würde sie auch schweigen? Es war nicht möglich, ihr auf Dauer auszuweichen, immerhin teilten sie das Zimmer miteinander. Außerdem – genau genommen war Anna doch im Augenblick alles, was sie hatte.
»Hör mal, wir sind doch alle hier, weil wir nicht nur einen reichen Ehemann suchen, der uns durchfüttert und verwöhnt, sondern auch, weil wir selbst geil auf Sex sind und auch genau so einen Mann wollen. Einen der so heiß auf uns ist, dass er uns jeden Wunsch von den Augen abliest, damit wir mehrmals täglich ihm einen blasen oder mit ihm vögeln. Nur du tust so, alles ginge dich das alles überhaupt nichts an. Also – was ist los?«
Vicky presste verstockt die Lippen zusammen.
»Nun mal raus mit der Sprache, wo brennt bei dir der Schuh. Jedesmal, wenn die Rede von Sex ist, ziehst du dich in dein Schneckenhaus zurück.«
Wahrscheinlich würde Anna ihr sowieso kein Wort glauben. Oder doch?
»Was ist nun? Ich warte!«
»Damit du losrennst und es jedem auf die Nase bindest? Ich bin doch nicht bescheuert!«
»Ach, so schlimm ist es?« Sie grinste spöttisch, lockerte ihren Griff und hockte sich im Schneidersitz neben Vicky. »Ich dachte, wir sind Freundinnen und können über alles reden, oder?«
Vicky setzte sich auf, ihr gegenüber und überlegte einen Augenblick. Vielleicht würde Anna ja doch Verständnis für sie haben. »Also gut, ich – ich bin noch Jungfrau.« Nun war es unwiderruflich heraus.
»Nicht schlecht, guter Scherz. Und was ist wirklich dein Problem?«, erwiderte Anna gelangweilt.
»Das ist die Wahrheit«, stieß Vicky ungeduldig hervor.
Anna guckte einen Moment verblüfft, dann prustete sie: » Jungfrau? Du bist also wirklich noch unberührt? Du nimmst mich auf den Arm!«
»Glaub’s oder lass es bleiben!«
»Entschuldige bitte, aber das ist wirklich zu komisch.« Anna hatte sichtlich Mühe, ein lautes Lachen zu unterdrücken. »Aber, du bist doch attraktiv und – wie alt bist du? Schon dreiundzwanzig?«
Vicky nickte. »Ich weiß. Eine alte Jungfer.«
Anna legte ihr tröstend eine Hand auf den Arm. » Sag mal, hat denn noch nie einer ernsthaft versucht, dich ins Bett zu kriegen?«
Vicky senkte den Blick. »Doch, natürlich. Aber ich habe es irgendwie geschafft, nicht nachzugeben.«
»Und warum?«
»Du findest das jetzt sicherlich doof, aber ich – ich wollte auf den
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