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Begierde

Begierde

Titel: Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilly Gruenberg
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Sie ist die einzige, die erst seit kurzem bei uns ist.«
    Die Hand des Mannes hob Vickys Kinn empor. Sekundenbruchteile genügten Vicky um festzustellen, dass seine Fingernägel kurz geschnitten und gepflegt aussahen, seine Fingerkuppen sich weich anfühlten. Seine Finger waren schlank und lang, fast wie die eines Klavierspielers. Die Berührung wirkte elektrisierend auf sie. Ein Kribbeln erfasste ihre Haut von oben bis unten. Die dunkelgrauen Augen musterten sie aufmerksam, betrachteten zuerst nur ihr Gesicht, versuchten ihre Miene zu ergründen und Vicky gelang ein zaghaftes Lächeln.
    »Interessiert, Signor Barberi?«
    Vicky hielt die Luft an. Der geheimnisvolle Signor Barberi, von dem es nicht mehr als diesen Namen gab. Und nun stand er leibhaftig vor ihr, mit maskiertem Gesicht. Wollte er inkognito bleiben?
    »Sie benötigt nicht nur eine starke Hand, die sie zu führen und zu zügeln weiß, sondern auch liebevolle Führung, dann entwickelt sie sich gewiss zu einer heißen Stute.«
    Spott und Verwunderung schwangen in Barberis Antwort mit. »Verehrte Patrona, Sie wollen mir doch wohl nicht soeben ein unberittenes Fohlen schmackhaft machen? Ich glaube nicht, dass eine unerfahrene Frau für mich die Richtige ist.« Seine Stimme klang voll und männlich, möglicherweise aufgrund der Maske ein wenig nasal. Den Inhalt seiner Worte hatte Vicky hingegen gar nicht richtig wahrgenommen. Sie merkte, wie sie ein heißes romantisches Gefühl überkam. Ein geheimnisvoller Mann. Wie spannend. Fast wie im Märchen. Die Erwiderung der Patrona brachte sie in die raue Wirklichkeit zurück.
    »Aber warum denn nicht? Ihre Jungfräulichkeit ist unversehrt. Wäre das nicht ein echter Leckerbissen, der manche Ungeschicklichkeit wett macht? Es stünde fest, dass Sie der erste Mann in ihrem Leben wären und Ihre Kinder wären auf jeden Fall die ersten und einzigen, die sie zur Welt bringt. Überraschungen, die die Vergangenheit ans Tageslicht bringen könnte, sind dadurch ausgeschlossen.«
    Vicky schoss unter dem durchdringenden Blick des Mannes das Blut in die Wangen.
    »Nein, ich glaube nicht«, erwiderte er und wandte sich umschauend ab. „Was ist mit der Füchsin dort drüben?«
    »Nun, sie heißt Sandra, ist bereits sehr gut erzogen und wird alle Ihre Wünsche mit Freuden erfüllen.«
    Barberi sah die Patrona von der Seite an. »Also mehr als das Füllen hinter uns?«
    »Gewiss doch.« Die Patrona lächelte ihn gewinnend an und machte einen Schritt nach vorne. Doch als Barberi ihr folgte, nahm Vicky ihren ganzen Mut zusammen.
    »Signor Barberi, bitte – geben Sie mir doch wenigstens eine Chance.«
    Die Patrona fuhr herum und bedachte Vicky mit einem verärgerten Blick. »Was fällt dir ein!«
    Barberi legte beschwichtigend die Hand auf den Arm der Patrona. »Lassen Sie nur. Die junge Dame ist offensichtlich an mir interessiert. Und sie hat Recht. Vielleicht sollte ich ihr wirklich eine Chance geben und nicht sofort ablehnen. Der Abend ist noch lang und ich kann ja später noch auf Sandra zurückkommen, nicht wahr?«
    Die Patrona lächelte süffisant. »Gewiss. Wie Sie wünschen.« Dann ließ sie ihn mit Vicky alleine.
    Signor Barberi führte Vicky an der Kette zu einem der Separees, deren Tür noch offen stand. Vickys Mut war bereits wieder verflogen. Sie hatte sich gut vorstellen können, Signor del Carmine kennenzulernen, und sie war erleichtert gewesen, Signor Raphaele nicht auf der Liste und auch nicht unter den Gästen zu finden. Dieser Signor Barberi hatte sie sofort durch sein Erscheinen gefesselt, sie war nur allzu bereit, getrieben durch Anna, einen der Männer näher kennenzulernen. Doch schon siegte wieder ihre Angst, dass ihr vorlauter Einspruch negative Folgen haben könnte. Wer war dieser Fremde? Sie blieb für Sekunden stehen und schaute sich suchend nach Anna um. Ob sie wohl mit Antonio del Carmine zusammen war? Doch ein leichter Ruck an ihrem Halsband riss sie vorwärts. Mit einem Kloß im Hals stolperte sie über die schmale Schwelle in das Kabinett.
    Die zwölf an den Saal angrenzenden Separees waren klein. Sie enthielten nicht mehr als ein geschwungenes Zweisitzersofa und einen kleinen nierenförmigen Beistelltisch. Eine dunkle Fototapete, ein weicher Perserteppich und zwei nach oben gerichtete altmodische Wandlampen waren die ganze Ausstattung.
    »Deine gesamte Aufmerksamkeit sollte ausschließlich mir gehören, wenn du mich schon herausforderst, findest du nicht?«
    »Gewiss, Signor Barberi. Es tut mir leid.

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