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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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stets in der Obhut freundlicher Nonnen, und ihre Reisegefährten traf sie erst am nächsten Morgen wieder. Der Waffenmeister half ihr zu Beginn eines jeden Reisetages in den Damensattel. Geduldig warteten die Männer, bis sie die Röcke ihres Reitkleides geordnet und die Zügel ergriffen hatte.
    Violante lenkte ihre Stute inzwischen mit zunehmender Sicherheit. Sie hatte sich in wenigen Tagen an den Passgang des Pferdes gewöhnt, sodass sie ihre Blicke ungehindert über die wechselnden Landschaften, Dörfer und Städte auf ihrem Weg gleiten lassen konnte.
    Das vor ihnen liegende Reims war mit Abstand die größte Ansiedlung, die sie seit Paris gesehen hatte. In der den Blick beherrschenden Kathedrale wurden seit Generationen die französischen Könige gesalbt und gekrönt. Violante entdeckte auch die Türme zahlreicher anderer Kirchen, die sich dem massigen Bauwerk unterordneten.
    »Wie riesig diese Stadt ist«, sagte sie gedankenverloren. »Ein Zentrum des Tuchhandels«, erwiderte Mathieu, der ihre Worte gehört hatte, und wandte sich um. »Wir werden in der Abtei von Saint Remi um Herberge bitten. Für heute ist es zu spät zum Weiterreiten.«
    Die Stute schloss zu Odysseus auf und blieb neben dem schweren Streitross, das einen gutmütigen Blick zur Seite warf, stehen. Sein Reiter jedoch blickte unbeirrt geradeaus. »Kann ich Euch etwas fragen?«
    »Sicher.«
    Sie ließ sich von seinem schroffen Tonfall nicht entmutigen. Mathieu war manchmal etwas barsch. »Könnt Ihr mir von Courtenay erzählen?« Sie stieß es so heftig heraus, dass er hören konnte, wie lange sie diese Frage schon unterdrückt hatte. Gegen alle guten Vorsätze sah er sie an und begegnete ihrer Neugier mit schlichter Abwehr.
    »Von Courtenay? Warum das? Ihr wisst mehr über Courtenay als ich. Ihr habt dort gelebt.«
    »Ich weiß nicht, was von meinen Erinnerungen Wahrheit und was Traum ist. Ich war erst acht Jahre alt, als Berthe mich fortbrachte.«
    »Und was ist Euch im Gedächtnis geblieben?«
    »Ich entsinne mich, dass meine Mutter meinen Vater fürchtete. Auch ich hatte Angst vor ihm, und sie riet mir oft, ihm nicht unter die Augen zu kommen. Er schlug zu, wenn etwas nicht nach seinem Willen ging. Außer Berthe gab es nur wenige Mägde. Ich liebte meine Mutter, meine Schwester und meinen kleinen Hund. Es war die Welt eines Kindes, das nicht weiß, was außerhalb der Mauern vor sich geht. Ist Courtenay ein großes Lehen?«
    Sie sah ihm an, dass er am liebsten geschwiegen hätte. Dennoch zwang er sich zu einer Antwort.
    »Courtenay war reich an gutem Ackerland. Eurem Vater dienten viele Pächter in mehreren Dörfern. Es fehlten ihm nur die ausgedehnten Wälder, die Mabelles Mitgift gewesen wären. Er war ein ebenso leidenschaftlicher Jäger, wie Seine Majestät der König es ist.«
    »Mabelle ist Eure Schwester, nicht wahr? Dass er statt ihrer meine flämische Mutter geheiratet hat, ist der Grund für die schlimme Fehde gewesen.«
    »Was habt Ihr davon, die alten Geschichten wieder aufzuwärmen?«
    »Ist die Burg damals ganz zerstört worden?«
    »Nur die Kapelle und ein paar Mauerreste sind übrig geblieben. Eure Mutter, das Kind und Eure Schwester sind dort begraben. Hört auf, die Vergangenheit zu beleben, Violante von Courtenay. Die Zukunft liegt vor Euch.« Der Name klang fremd in ihren Ohren. Mit einem Mal sehnte sie sich nach dem vertraut gewordenen Ysée. Aber weder Mathieu noch sein Stallmeister gebrauchten die gewohnte Anrede. Sie sagten auch nicht mehr Mädchen, Kleine oder Begine. Sie war jetzt Violante von Courtenay. Es wurde Zeit, dass sie sich daran gewöhnte.
    »Wer bebaut das Ackerland der Courtenays und herrscht jetzt über ihre Dörfer?«, setzte sie die Fragen trotz der Ermahnung fort.
    »Pfalzgraf Ottenin hat sie in der Folge der Ereignisse vor mehr als zehn Jahren dem Lehen von Andrieu zugeschlagen.«
    »Eurem Lehen? Warum seid Ihr in Paris und nicht dort? Schätzt Ihr den Hof so sehr? Liegt Euch so wenig an den Menschen Eurer Heimat?« Sie sah sein Kopfschütteln.
    »Mein Schwager und meine Schwester leben in Andrieu. Der Pfalzgraf hat mich aus der Freigrafschaft verbannt.«
    »Es gibt keine Freigrafschaft mehr.«
    Violante hatte es von ihren Studentenfreunden in Erfahrung gebracht.
    Mathieu schnalzte ungeduldig und trieb Odysseus zu schnellerem Trab.
    »Was bezweckt Ihr mit all diesen Fragen? Wollt Ihr den Umfang Eures väterlichen Erbes in Erfahrung bringen?«
    »Ein Erbe, das mir nur zukäme als Braut an der Seite

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