Beginenfeuer
eines Ritters des Herzogs von Burgund«, erwiderte Violante sachlich und bemühte sich, an der Seite des Hengstes zu bleiben. »In der Tat. Dieser Weg steht Euch offen, wenn Ihr nicht länger als Begine leben wollt. Das Dokument des Königs macht Euch zur einzigen Erbin von Courtenay.«
»Ich will nichts mit dem Courtenay von heute zu schaffen haben. Ich habe meine Entscheidung getroffen.«
»Ich wünsche Euch, dass Ihr nie dazu gezwungen werdet, sie zu überdenken.«
»Ist Strasbourg nicht weit genug von allen Brennpunkten des Kirchengeschehens entfernt, wie Ihr sagt?«
»Ich hoffe doch.«
Mathieu spornte sein Pferd an. Die Stute verlor endgültig den Anschluss, und seine Stimme ging im Dröhnen der Hufe unter. Violante atmete den Staub ein, den Odysseus aufwirbelte. Sie zügelte erbost ihr Pferd. Welche ihrer Fragen hatte ihn verärgert? Oder bedrückte ihn wie sie der näher rückende Abschied?
Sie hatte entdeckt, dass sie zwar Paris reuelos hinter sich lassen konnte, dass ihr jedoch der Gedanke, Jean Vernier und seinen Herrn für immer zu verlassen, missfiel. Weil sie sich an die beiden gewöhnt hatte und ihnen vertraute oder weil sie Angst vor der Zukunft hatte?
Erst am Stadttor von Reims trafen sie wieder zusammen, aber nun musste sie mit züchtig niedergeschlagenen Blicken warten, bis die Bewaffneten sich von der Harmlosigkeit des Reisetrupps überzeugt hatten, und für ein weiteres Gespräch ergab sich keine Gelegenheit mehr. Bis sie in Strasbourg voneinander Abschied nahmen, wechselten sie kaum ein persönliches Wort miteinander, obwohl er sie wie ein Schatten begleitete. In verschiedenen Beginenhäusern hatten Gespräche über eine mögliche Aufnahme stattgefunden, ehe sie sich schließlich für die Gemeinschaft der Schwestern vom Haus zum Turm entschieden hatte, vor dem sie nun standen.
Nur ein paar Steinwürfe vom stolzen Münster entfernt lebten hier knapp zwei Dutzend Beginen in dem hohen, weitläufigen Bürgerhaus, das mit seinen Schuppen, Ställen und Wirtschaftsgebäuden an die kleine Ill grenzte. Wie Brügge war auch Strasbourg von Kanälen und Wasserläufen durchzogen, an deren Ufern sich Gerber und Färber angesiedelt hatten. »Ich hätte mir gewünscht, Ihr hättet eine Gemeinschaft ohne Webstühle gewählt«, sagte Mathieu besorgt. »Diese Geschäfte mit Schleiertuch und Halbtuch wollen mir nicht gefallen.«
»Es dürfte schwer sein, in dieser Stadt überhaupt ein Haus ohne Webstuhl zu finden«, erwiderte Violante mit einem kleinen Lächeln. »Die Schwestern vom Turm haben mir nicht wegen ihrer Webstühle, sondern wegen ihrer Schule und ihres vernachlässigten Kräutergartens gefallen. Die meisten von ihnen sprechen das Französische wie ich, und ich werde bei ihnen all die Dinge tun können, die mir Freude machen. Vielleicht werde ich sogar Latein lernen und mich mit den Einzelheiten des römischen Rechts beschäftigen können. Ich habe eine Gemeinschaft gefunden, die mich ohne Vorbehalte bei sich aufnimmt.«
»Sie sind beeindruckt, eine vermeintliche Verwandte des französischen Königs in ihren Reihen zu haben.«
»Ein Irrtum, den Ihr maßgeblich zu verantworten habt, Seigneur. Schon allein durch die vielen Goldstücke, die Ihr der Meisterin ausgehändigt habt.«
»Niemand ist für die Irrtümer anderer Menschen verantwortlich, Violante von Courtenay. Je mehr Ihr diese Verwandtschaft leugnet, umso eher werden sie daran glauben. Es kann Euch nicht schaden.«
Sie tat seine Erklärung mit einem Schulterzucken ab und reichte ihm schließlich die Hand. Während sie vor dem hohen Tor des Hauses zum Turm standen, warteten im Hintergrund der alte Waffenmeister und die anderen Männer auf Mathieu. Von ihnen allen hatte Violante sich bereits verabschiedet.
»Gott behüte Euch«, sagte sie nun und sah offen in die grauen Augen, die ihr heute besonders düster vorkamen. »Erlaubt mir nach all den guten Ratschlägen, die Ihr mir gegeben habt, auch einen an Euch: Geht nach Andrieu. Der König braucht Männer, die für seine Untertanen sorgen, nicht nur Diplomaten und Krieger. Ich wüsste niemanden, dem ich ein Lehen, ein Dorf oder eine Stadt lieber anvertrauen würde. Ich würde Courtenay und alles, was dort geschehen ist, in besserer Erinnerung behalten, wenn ich wüsste, dass Ihr Euch der Menschen dort annehmt.«
»Ihr wisst nicht, was Ihr sagt«, antwortete er mit hörbar angestrengter Stimme.
»Das war einmal, Mathieu von Andrieu. Inzwischen weiß ich, was ich sage, und ich sage
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