Beginenfeuer
keine feste Nahrung bei sich behalten. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie die Dinge stehen.« Der Mönch faltete die Hände über der Kutte und hob zu einer längeren Rede an. »Alle Welt erwartet eine Entscheidung über das Schicksal der Templer von ihm. Seit die päpstliche Kommission im vergangenen Jahr dem Orden aufgrund der vorliegenden Beweise die Verteidigung verweigert hat, ist so gut wie nichts passiert. In Vienne, so sagt man, würden die Würfel fallen. Der König erwartet vom Papst offizielle Unterstützung, um die Todesurteile vollziehen zu können.« Simon legte die Feder zur Seite. »Möge der Himmel die Gesundheit Seiner Heiligkeit wiederherstellen.« Sein Ton verriet, dass er nicht gewillt war, Stellung zu beziehen.
»Gelobt sei Jesus Christus.«
Sichtlich enttäuscht verließen die beiden Männer die Kammer. Sie hatten sich mehr Informationen vom Geheimsekretär Seiner Heiligkeit erwartet.
Die Rückkehr des Papstes aus Krankheitsgründen verhieß nichts Gutes. Seine Heiligkeit neigte dazu, sich in wahre und eingebildete Beschwerden zu flüchten, wenn sich Entscheidungen aufdrängten. Mittlerweile hatten sich eine ganze Reihe von Zwangslagen ergeben.
Es gab nicht nur erhebliche Widersprüche in der vertraulichen Korrespondenz der Kardinäle, die zum Konzil nach Vienne geladen wurden, mit Seiner Heiligkeit, sondern auch unverhohlenen Widerstand im Kirchenstaat gegen ihn. Die Tatsache, dass sich unter den ersten Kardinälen, die er ernannt hatte, neun Franzosen befanden, von denen vier seine eigenen Neffen waren, trug nicht dazu bei, das Klima in der Kurie zu verbessern.
Erzdiakon Pellegrue hielt zwar eine Menge Ärger von seinem Oheim fern, aber die letzte Entscheidungsgewalt besaß dennoch der Papst.
Simon schätzte die Ruhe des Skriptoriums und den Umgang mit dem neuen Papier und dem steifen Pergament. Papier und Pergament redeten nicht und ermöglichten so den ungestörten Fluss der eigenen Gedanken. Die wenigsten Dokumente befassten sich mit Glaubensfragen, musste Simon feststellen. In den meisten Fällen ging es um Einkünfte aus Kirchenbesitz, um Ernennungen, Titel und Rechtsstreitigkeiten. Anderes wurde nur halbherzig behandelt, so auch alles, was den Prozess der Templer betraf. Der Papst hatte dazu nur einmal Stellung bezogen.
»Ihr habet, geliebter Sohn – wir sagen es mit Schmerzen –, während Unserer Abwesenheit die Hand auf Personen und Güter der Templer gelegt. Ihr seid so weit gegangen, sie ins Gefängnis zu werfen, und Ihr habt, was Unseren Schmerz noch erhöht, sie noch nicht freigelassen. Wir hatten Euch durch Unsere Schreiben mitgeteilt, dass Wir selbst diese Angelegenheit in die Hand genommen. Wir wollten selber die Wahrheit erkunden…«, las er.
Nie zuvor und nie danach hatte Clemens V. so harte Worte für seinen weltlichen Gegenspieler auf dem französischen Thron gefunden.
»Trotzdem habt Ihr dieses Attentat gegen die Personen und Güter von Männern begangen, die Uns selbst unterstellt sind. In diesem überstürzten Vorgehen kann jedermann ein verwerfliches Verachten von Uns und von der Kirche erkennen. Wir können nicht daran zweifeln, dass Ihr besser heute als morgen Güter und Personen der Templer Unseren Gesandten übergeben werdet.«
Diese einmalige Äußerung von Energie gegenüber dem König war im Sand verlaufen. Der König hatte die Forderung ignoriert. In den folgenden vier Jahren hatte der Papst seinerseits das Leiden der Ordensritter ignoriert. Ihm ging es nur noch um sein eigenes Wohl.
Simon strich sich mit den Fingerspitzen über die brennende Stirn. Sein Leib reagierte auf die Entbehrungen und Schmerzen, die er ihm auferlegte. Immer wieder ließ er Mahlzeiten ausfallen, betete ganze Nächte hindurch und tat Buße. Dabei blieb kaum Zeit zur Arbeit.
Er erinnerte sich, dass die Brüder in Fontenay zu Zeiten seines Noviziates ausgerechnet hatten, wie viel Zeit einem Mönch zum Arbeiten blieb, wenn er alle Psalmen, Gebete und Andachten buchstabengetreu sprach und abhielt, die ihm die Ordensregeln auferlegten. Sie waren auf ganze fünf Stunden gekommen.
Allmächtiger, wohin verirrten sich seine Gedanken? Er musste mit dem Erzdiakon sprechen. Er hatte ihn damit beauftragt, in der Reisetruhe alle nötigen Unterlagen zusammenzustellen, die die Kurie benötigte, um ihre Angelegenheiten in Vienne voranzutreiben und zu einem guten Abschluss zu bringen. Wenn er diese Arbeit zu Pellegrues Zufriedenheit erledigte, war er vielleicht bereit, seine Bitte
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