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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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anzuhören. Kaum hatte er mit dem Sichten der Unterlagen begonnen, betrat der Erzdiakon sein Skriptorium. Sich umwendend, stand er ihm direkt gegenüber. Der Heilige Vater war also zurückgekehrt.
    »Schweigsam wie immer, Bruder Simon«, kommentierte der Erzdiakon seine stumme Verneigung. »In einem Haus, in dem mehr geredet wird, als normale Ohren vertragen können, seid Ihr eine rühmliche Ausnahme.«
    »Ihr schmeichelt mir, Eminenz«, sagte er ruhig. »Tue ich das? Ihr haltet nicht besonders viel von Euch, mein junger Freund.«
    »Sagt nicht schon Salomon, zu viel Honig essen ist nicht gut?« Arnaud von Pellegrue runzelte die Stirn, entschied sich aber danach für ein vages Lächeln. »Wenn ich Euch so betrachte, Bruder, dann wäre es Eurer Gesundheit bereits zuträglich, wenn Ihr den normalen Mahlzeiten mehr Ehre antut. Es muss ja nicht gleich Honig sein. Zu strenges Fasten ist auch nicht im Sinne unseres Herrn. Seine Heiligkeit braucht Euch.« Simon gab einen unbestimmten Laut von sich, und der Erzdiakon hob in stummer Frage die schmalen Brauen. »Ich wollte Euch eigentlich bitten, ein gutes Wort bei Seiner Heiligkeit für mich einzulegen.« Simon begegnete dem Blick Pellegrues in aller Offenheit. »Ich bin nicht geeignet für die verschlungenen Wege der Kirchenpolitik. Lasst mich nach Fontenay zurückkehren und dem Herrn dort in aller Bescheidenheit dienen.«
    Der Erzdiakon tat die Bitte mit einer gereizten Handbewegung ab. »So kurz vor dem Konzil bedarf der Heilige Vater eines jeden Dieners. Ihr könnt nicht im Ernst daran denken, ihn jetzt im Stich zu lassen.«
    »Ich bin doch nur einer von vielen.«
    »Aber einer von wenigen, die uneigennützig sind, Bruder. Vergesst Eure Bitte.«
    Die Ablehnung traf Simon hart. Er hatte Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen. »Ist das Euer letztes Wort?«
    »Ihr seid in die Geheimnisse Seiner Heiligkeit eingeweiht, habt Ihr das vergessen, Bruder? Ihr könnt nicht einfach beschließen, dass Ihr Euren Dienst aufkündigen wollt. Ihr seid der Kirche verpflichtet.«
    Arnaud von Pellegrue legte in einer Geste aus Ungeduld und Frömmigkeit die Fingerspitzen vor der Brust gegeneinander und kam zu seinem wirklichen Anliegen. »Wie weit seid Ihr mit den Dokumenten, die Seine Heiligkeit in Vienne haben möchte?«
    Der Mönch deutete zum Fenster. »Die Truhe wurde erst heute Nachmittag vom Schmied geliefert. Die Eisenbänder und Schlösser mussten eigens angefertigt werden.«
    »Vergesst nicht die aktuellen Beschwerdebriefe, die uns aus den deutschen Bistümern wegen der Beginen erreicht haben. Es gibt ärgerliche Gerüchte, dass sich etliche Brüder aus dem Deutschen Reich und aus den Niederlanden gegen ein Verbot des Beginenstandes aussprechen wollen. Wir benötigen ausreichende Beweise für die Verfehlungen der Beginen, um die Gegner auf unserer Seite zu haben. Der Heilige Vater wünscht die Beginen in die Orden einzugliedern. Damit verhindert er, dass sich die weltlichen Fürsten ihres Besitzes bemächtigen.«
    »So ist es beschlossene Sache, dass…«
    Simon wurde harsch unterbrochen.
    »Wir wollen den Entscheidungen des Konzils nicht vorgreifen, Bruder. Tut Eure Pflicht. Aber vergesst nicht, an die Tafel Seiner Heiligkeit zu kommen. Ich befehle Euch, Euer strenges Fasten zu unterbrechen. Wir haben eine Reise und aufreibende Tage vor uns. Wenn Ihr glaubt, Sünde auf Euch geladen zu haben, so geht zur Beichte.« Der Erzdiakon verließ den Raum.
    Hatte Simon wirklich gehofft, sein Wunsch würde ihm erfüllt werden? War er immer noch nicht klüger geworden? Im Zentrum der kirchlichen Macht wehte ein eisiger Wind. Er konnte seinem Auftrag nicht entfliehen. Er konnte nicht einmal Mathieu warnen. Er hatte keine Möglichkeit dazu. Auch war es unmöglich, Schriftstücke über die Geschäfte der Schwestern einfach verschwinden zu lassen. Es waren zu viele. Man würde es bemerken. Seit die Zünfte und städtischen Räte erfahren hatten, dass eine Anklage gegen die Beginen bevorstand, trafen täglich neue Listen mit Vorwürfen ein. Man würde nach ihrem Verbleib fragen.
    Allein in der deutschen Stadt Köln gab es fast neunzig kleinere Beginenkonvente, und in Strasbourg waren es kaum weniger. In Frankfurt und Hamburg existierten je ein halbes Hundert. Wenn auch dort der Widerstand gegen die Beginen nicht so groß war, so waren sie doch ebenfalls betroffen von einem allgemeinen Erlass.
    Die Frauen in den Niederlanden und in Flandern sowie am Bodensee und im Helvetischen lebten in großen

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