Beginenfeuer
Steinsaum des heiligen Petrus, der zu seiner Rechten aufragte. »Wie gefällt Euch diese Statue?«, erkundigte sich Colonna wie nebenbei.
»Beeindruckend«, antwortete Simon knapp. »Sie ist schön, nicht wahr? Schönheit kann uns betören und in ihren Bann ziehen. Man kann sich von ihr verzaubern lassen. Noch beeindruckender ist sicher die natürliche Schönheit. Die Glut eines Sonnenunterganges, das Lächeln einer Frau.« Er kam zur Sache und fasste seinen Gesprächspartner scharf ins Auge.
»Glaubt nicht, dass ich Euch tadeln will, junger Mann, aber ich hoffe, dass Euch bewusst ist, in welche Gefahr Ihr Euch bringt.«
»Ihr stellt mich vor Rätsel, Monsignore.«
»Tue ich das?« Zwischen den Samtfingern tauchte unverhofft eine silberne Haarnadel auf, an deren Spitze eine kleine Flussperle schimmerte. »Meine Familie hat von jeher eine Schwäche für Silberschmiedearbeiten. Ich nehme mich dabei nicht aus, wenngleich es nicht meine Art ist, die Haarnadeln einer Edelfrau aufzubewahren. Ihr wisst, wo diese hier gefunden wurde?«
»Ihr werdet es mir sicher sagen, Monsignore.«
»Am Fußende Eures Bettes.«
»Ihr lasst mein Lager durchsuchen? Welch absurde Vorstellung.«
»Ihr nehmt Euch nicht wichtig genug. Das ist ein Fehler, mein junger Freund.«
»Ich denke, dass das im Sinne Gottes ist«, gab Simon mit hörbarer Härte zurück.
»Diese Antwort habe ich fast von Euch erwartet.« Kardinal Colonna schloss die Finger um die Nadel, sodass nur der blasse Perlenkopf zu sehen war. »Es geht mir darum, Euch mitzuteilen, dass ich Bescheid weiß. Habt Ihr gedacht, ich erfahre nicht, wo die Dame geblieben ist, deren Pater so unhöflich meine Gastfreundschaft ausgeschlagen hat? Ihre Schönheit ist bestechend, ihr Haarschmuck, wenn auch unaufdringlich, so doch erlesen und mir als Kenner, als den ich mich bezeichnen darf, unvergesslich.«
»Kommt zur Sache, Monsignore.«
»Wie Ihr wünscht.«
Colonna wandte dem heiligen Petrus den Rücken zu und verschränkte selbstgefällig die Hände vor der Brust. Die dunklen Augen fest auf das asketische Gesicht des Mönchs gerichtet, setzte er die ganze Macht seiner voll tönenden Stimme ein. »Ihr wisst, wie viel mir daran liegt, Einblick in die Korrespondenz Seiner Heiligkeit zu bekommen. Es soll Euer Schaden nicht sein, wenn Ihr mir die nötigen Informationen beschafft.«
»Ich bin kein Verräter, Monsignore.«
»Natürlich nicht. Aber ich hoffe doch, dass Ihr auch kein Dummkopf seid. Violante von Courtenay ist keine Hofdame, sondern eine Begine. Der Priester, der sie begleitet, ist nicht ihr Kaplan, sondern der Beichtvater der Beginen vom Turm in Strasbourg. Wollt Ihr mehr hören?«
»Ihr droht mir?«
»Ich stelle Euch ein Ultimatum, mein Freund. Arbeitet für mich, und Euer Geheimnis bleibt unter uns. Weigert Ihr Euch, wird man sie der Inquisition übergeben. Eine Begine, die beim Konzil für Unruhe sorgt, liefert Seiner Heiligkeit genau das Argument, das er benötigt, um die zaudernden deutschen Kirchenfürsten von der Dringlichkeit des Beginenverbotes zu überzeugen.«
»Ihr würdet sie dem Scheiterhaufen ausliefern?«
»Ja, und es wäre doch bedauerlich, solche Vollkommenheit zu zerstören. Da seid Ihr gewiss meiner Meinung. Doch es ist besser, ein verirrtes Schaf zu opfern, als die ganze Herde in Gefahr zu bringen.«
Simon wurde übel. Er konnte nur hoffen, dass das Zwielicht der Seitenkapelle seine Blässe verbarg.
»Gebt mir Zeit, über Euer Ansinnen nachzudenken, Monsignore«, erwiderte er tonlos. Der Kardinal bedachte ihn mit einem langen Blick. »In fünf Tagen, zum Fest des heiligen Simon, erwarte ich Eure Antwort. Kommt Ihr früher zu einem Entschluss, so lasst es mich wissen.«
Ein spöttischer Funke glomm in den dunklen Augen Colonnas auf, und er fügte geradezu leutselig hinzu: »Ihr könnt schließlich nicht wissen, ob ich ebenso erbarmungslos agiere wie der gute Sciarra.«
»Ihr tragt Samthandschuhe.«
»Nur im Moment, junger Freund.«
Das Gerücht über Sciarra Colonna war Simon bekannt. Angeblich trug er einen Eisenhandschuh, als er Papst Bonifaz in seiner Sommerresidenz, in Anagni, mit einem Faustschlag niederstreckte. Die Tat hatte zur Folge, dass Seine Heiligkeit wenige Tage später im nahen Rom verstarb. Ein Tod, der dem König von Frankreich sehr gelegen kam. Guillaume von Nogaret, der an der Seite von Sciarra Colonna agiert hatte, brachte dieser Vorfall den Beinamen le terrible ein. Kardinal Colonna war ein naher Verwandter von Sciarra
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