Beginenfeuer
dass Alaina nicht lange Geduld mit dir haben wird. Spätestens zu Mariä Empfängnis schickt sie dich zum Wollewaschen zurück.«
»Du hast die Totenwache bei Cornelis’ Frau gehalten?« Berthe kämpfte mit jeder einzelnen Silbe. »Das wisst Ihr doch, Mutter.«
»Nichts weiß ich. Du hast… ach, was soll’s.« Sie winkte unwirsch ab, nahm ihr den Becher aus der Hand, trank, runzelte die Stirn und begann von neuem. »Ausgerechnet Cornelis, da hat wahrlich der Teufel persönlich die Hand im Spiel.« Ysée begriff ihre Aufregung nicht, aber Josepha glaubte zu wissen, weshalb sich Berthe so erregte. »Auch wenn er in seiner Eigenschaft als Tuchhändler die Beginen am liebsten zur Stadt hinausjagen würde, so muss er doch akzeptieren, dass sie für die Sterbenden und Toten ihr Bestes tun. Du machst dir umsonst Sorgen, Schwester.« Sie kniff die ohnehin kleinen Augen zu noch schmaleren Schlitzen zusammen und bedachte Ysée mit einem prüfenden Blick. »Oder hast du Cornelis etwa durch deine üblichen Ungeschicklichkeiten verärgert?«
Ysée antwortete nicht. Wenn sie den beiden von den seltsamen Fragen des Mannes berichtete, würden sie sich nur noch mehr erregen, also schwieg sie lieber. Josepha hielt es für ein Nein. »Siehst du.« Sie wandte sich zufrieden wieder an Berthe. »Es ist einer der wenigen Vorzüge deiner Tochter, dass sie nicht viel redet. Für Cornelis sind alle Beginen ein Ärgernis, weil er das Gefühl hat, dass sie ihm das Geschäft verderben. Ganz zu schweigen von der Sache mit dem Grundstück für den Hafen. Du hast keinen Anlass, um deine Tochter zu fürchten, nur weil sie sein Haus betreten hat.«
»Der Mutter Gottes sei gedankt, wenn du Recht hast«, schnaufte Berthe. Vielleicht spielte ihr die Erinnerung ja einen Streich, und Ysée glich ihrer verstorbenen Herrin gar nicht so auffallend, wie sie es immer fürchtete. Das lag alles schon so weit zurück, und ihre Erinnerungen verblassten zunehmend. »Bring mir noch einen Becher Wein, Kind. Aber ohne Wasser. Ich bin völlig erschöpft. Mein armes Herz ist mir vor Schreck fast stehen geblieben.«
Ysée wandte sich ab und holte den Weinkrug. Seit sie im Hause Cornelis gewesen war, hatte sie kaum geschlafen. Ihr Kopf und ihr Körper schmerzten vor Müdigkeit und Anstrengung. Berthe hingegen hockte gleich einer fetten Glucke am Feuer und verlangte wie üblich, bedient und umsorgt zu werden. »Ich bin sicher, dass unser Herrgott entschieden hat, Piet Cornelis für seine Sünden zu strafen«, erklärte Josepha jetzt selbstgefällig und faltete die Hände im Schoß. »Der Tod seines Weibes und seines Kindes sind eine Mahnung, nicht länger gegen unsere fromme Gemeinschaft zu wettern.« Ysée reichte Berthe den Wein und behielt ihre Empörung über so viel Selbstgerechtigkeit und Heuchelei für sich. Sie hoffte inständig, dass es nicht Gottes Wille war, unschuldige Frauen und Kinder aus solchen Gründen sterben zu lassen. Danach machte sie sich eilig wieder an die Arbeit. Sie hatte nicht viel Zeit bis zur Vesper bei Sonnenuntergang, und neben allem anderen musste auch noch die Wolle gründlich gekämmt werden, ehe sie zu Garn versponnen werden konnte. Sie verdiente auf diese Weise den Lebensunterhalt für sich und Berthe. Sie besaßen kein Vermögen, von dem sie zehren konnten, und die Frau, die sich als ihre Mutter ausgab, weigerte sich, ihren Teil zu diesem Bemühen beizutragen. Sie ließ Ysée in dem Glauben, dass sie nur ihretwegen in den Beginenhof gegangen war und dass sie ihr täglich für diese neue Heimat danken musste. Josepha bestärkte sie in dieser Haltung. Sie war die Witwe eines Färbers aus Sluis. Mit dem kleinen Erbe ihres Mannes hatte sie sich einen Platz in einem der Konvente des Beginenhofes gesichert. In solchen Häusern besaß eine Begine ein oder zwei private Zimmer und teilte sich mit den anderen Frauen Küche, Herd und Arbeitsräume. Josepha war freilich öfter bei Berthe als in ihrer eigenen Behausung. Vielleicht, weil sie von ihren Mitschwestern nicht so viel bedingungslose Verehrung erfuhr. »Vermutlich wär’s besser für uns gewesen, Cornelis läge unter der Erde und nicht seine Frau«, hörte sie Berthe rüde zu ihrer vertrauten Seelengefährtin sagen. »Männer sind ohnehin zu nichts nutze.«
Josephas dummes Gerede trieb Ysée aus dem Haus zum Brunnen. Piet Cornelis hatte sie erschreckt, aber sie fand es dennoch abscheulich, wie die beiden Frauen über ihn herzogen. Berthe verlor nie ein gutes Wort über Männer,
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