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Beginenfeuer

Beginenfeuer

Titel: Beginenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Christen
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und wenn Ysée in den Tiefen ihrer Erinnerung grub, glaubte sie den Grund dafür zu kennen. In Courtenay hatten sie nur Gewalt und Schmerz von Männern erfahren.
    Der Ziehbrunnen lag im Schatten der Dämmerung. Die Webstühle schwiegen, und die Bottiche der Färberinnen waren für den nächsten Tag abgedeckt worden. Bei Sonnenuntergang wurde das Tor vor der Brücke geschlossen und die Seitenpforten bis zum nächsten Morgen verriegelt. Ysée stellte ihren Kübel ab und griff nach dem Seil, um den Brunneneimer hinabzulassen.
    Für einen Augenblick verharrte sie in der Bewegung und strich sich über die Stirn, als könne sie damit Ordnung in ihre verworrenen Gedanken bringen. Weshalb hatte Piet Cornelis sie mit seinen Fragen behelligt? Wenn er die Beginen wirklich so ablehnte, wie Josepha das behauptete, warum hatte er all diese Dinge von ihr wissen wollen? Um den frommen Frauen zu schaden? Wieso hatte sie das merkwürdige Empfinden, dass er ihr zu nahe kam, zu viel von ihr wollte?
    Obendrein war da noch Pater Simon, dessen Bild ihr nicht aus dem Kopf gehen wollte. Ob Berthe von ihm auch sagen würde, dass er zu nichts nutze sei? Es hatte ihr gefallen, ihn zu betrachten. Wie er wohl aussah, wenn er lächelte? Hör auf zu träumen, schalt sich Ysée. Er ist ein Ordensbruder. Wenn er jemals eine Frau anlächelt, dann höchstens die Mutter Gottes und keine närrische Novizin, die ihn mit aufdringlichen Blicken verärgert.
    Vorsichtig ließ sie das raue Seil durch die Hände gleiten und stemmte sich dagegen, als der Eimer tief unten in das Wasser tauchte. Dann zog sie ihn langsam wieder hoch und füllte ihren Kübel. Der gedrehte Hanfstrick schnitt ihr tief in die Handflächen.
    Was ist das für eine Plackerei? Ich bin müde! Ich habe Hunger, und ich möchte schlafen. Warum gönnt mir niemand Ruhe? Fragen, auf die Berthe stets ein und dieselbe Antwort gab: Sei froh, dass du am Leben bist. Erinnere dich, ihr wart zu zweit. Du bist schuld, dass die andere sterben musste. Du hast ihren Tod auf dem Gewissen, nimm die Strafe dafür hin. Die Erinnerung sagte ihr, dass Berthe Recht hatte, deswegen schwieg sie und tat ihre Pflicht. Deshalb würde sie am Spinnrad sitzen, bis ihre Augen im Licht der Unschlittkerze nichts mehr erkennen konnten, und sie würde bei Sonnenaufgang ihr Lager verlassen, um Alaina in der Infirmerie zu helfen, wie das Hospital der Beginen genannt wurde. Berthe und Josepha schenkten ihr keinen Blick, als sie das Wasser heranschleppte. Inzwischen drehte sich ihr Gespräch allem Anschein nach um die Einzelheiten des Vermögens, das Piet Cornelis im Laufe vieler Jahre angesammelt hatte.
    »Er besitzt keinen Erben.« Josepha hatte den Klatsch von Sluis gegen jenen von Brügge ausgetauscht.
    Berthe wirkte zerstreut, als sie antwortete: »Nun ja, den Beginen wird er wohl keine Schenkung machen…«
     
     
    H INGABE
    Pfarrhaus an der Weingartenbrücke zu Allerseelen 1309
     
    Die schwerfälligen Boote glitten wie Schatten über das dunkle Wasser des Kanals. Hätte Bruder Simon nicht zufällig aus dem offenen Fenster des Pfarrhauses gestarrt, ihm wäre die Bewegung kaum aufgefallen. Jetzt sah er allerdings, wie das erste Boot an der westlichen Mauer des Beginenhofes langsamer wurde. Inzwischen war es schon so finster, dass er keine Einzelheiten erkennen konnte.
    »Was tun die Boote dort am Weingarten?«, wandte er sich an Pater Felix, der hinter ihm das bescheidene Nachtmahl auftrug.
    »Ach, das ist vermutlich die Wolle«, winkte er ab. »Welche Wolle?«
    »Ballen geschorener Schafwolle. Was glaubt Ihr, woher die Beginen das Garn haben, das sie spinnen, färben und zu Tuch verweben?«
    »Ich dachte, zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang darf kein Mann in den Mauern des Beginenhofes sein?«
    »Ist er auch nicht. Die Boote löschen ihre Ladung vor den Mauern, damit die Schwestern sie auf dem kürzesten Weg in die Lagerschuppen bringen können.«
    »Bei Nacht?«
    Die fassungslose Frage zeigte Pater Felix, dass sein Gast keine Ahnung von den Verhältnissen in Brügge hatte. »Nun, die frommen Frauen haben gelernt, dass es nicht gut ist, allzu viel Aufmerksamkeit auf ihren Fleiß zu lenken. Eines der letzten Kanalboote wurde beim Ausladen von einem anderen Schiff so unglücklich gerammt, dass die Hälfte der Ladung im Wasser versank. Ein schlimmer Verlust.«
    »Ein Unfall?«
    Der Priester senkte den Kopf, sodass Simon nur noch den spärlichen Haarkranz sah, der das kahle Haupt umrundete. »Ihr werdet in ganz Brügge

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