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Begraben

Begraben

Titel: Begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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beglückwünschten sich. Tony war zufrieden mit seiner Leistung.
    Kurz darauf kam Nino zu ihm in den Umkleideraum. Tony zog sein T-Shirt aus und wischte sich mit dem Handtuch über die Stirn.
    »Hast du das Finale gesehen? Ich schwöre dir, ich hatte noch Energiereserven. Und du? Warst du im Schwimmbad?«
    Nino setzte sich auf die Bank und stellte die Badetasche zu seinen Füßen ab. Er war unrasiert und sah müde aus.
    »Letztlich doch nicht. Ich bin total kaputt, habe heute Nacht kaum geschlafen.«
    »Ich weiß, du hast dich ständig hin und her gewälzt.«
    Tony drückte den Arm seines Freundes. Nino hatte sich bis zum frühen Morgen schlaflos von einer Seite auf die andere gedreht. Cyrilles überraschende Rückkehr und die Geschichte mit der Gedächtnislücke, die so schwer zu glauben war, beschäftigte ihn. Nun hatte sich eine tiefe Falte in seine Stirn gegraben, und er kaute an den Nägeln.
    »Weißt du, eigentlich ist das verrückt, aber … ich glaube ihr.«
    Tony zog seine Radlerhose aus und schlang ein Handtuch um die Hüften.
    »Ich auch.«
    Ein tonnenschwerer Stein fiel Nino vom Herzen. Er seufzte vor Erleichterung.
    »Eine solche Komödie kann sie uns nicht vorgespielt haben, oder?«
    Tony schüttelte den Kopf. Seit fast zehn Jahren hatten sie Cyrille Blakes Namen nicht mehr erwähnt, seit jenem Moment, da Nino beschlossen hatte, sie aus seinem Adressbuch zu streichen mit dem Vermerk Sprich nie wieder von dieser Ziege .
    Er war impulsiv und nachtragend, wenn man ihn verletzte. Als er von seiner Fortbildung zurückgekommen war, war sie verschwunden, ohne ihm eine Nachricht oder irgendetwas zu hinterlassen. Zu einem albernen Kongress davongeflogen mit ihrem neuen Ehemann, dem Professor für Neurobiologie – ein Pedant, den er nie hatte leiden können. Und dann nichts mehr, nicht die kleinste Nachricht, gar nichts. Er hatte sie danach zum ersten Mal wiedergesehen, als sie ihr neues Buch im Fernsehen vorgestellt hatte. So ein Quatsch, hatte er geschimpft und schnell umgeschaltet. Tony hatte ihr Verhalten weniger getroffen als seinen Freund. Er mochte Cyrille, hatte aber ihre Entscheidung, zu verschwinden, akzeptiert. Die individuelle Freiheit war für ihn so wichtig, dass er ihre Wahl, woanders ein neues Leben anzufangen und mit der Vergangenheit zu brechen, respektiert hatte. Am Arm ihres berühmten Ehemannes wollte sie in die High Society aufsteigen und ihr eigener Herr sein. Er konnte verstehen, dass sie keine Lust mehr hatte, sich mit einem einfachen Krankenpfleger und dessen Freund, dem Informatiker und Exsportler, zu treffen.
    Er spürte, dass Nino durcheinander und nervös war. Ein kleiner Riss in seinem Panzer.
    »Womöglich leidet sie wirklich unter einer Amnesie«, fuhr er fort, »und hat uns deshalb all die Jahre ignoriert …«
    »Ja … Aber was kann ihr zugestoßen sein?«
    Nino rieb seinen Dreitagebart, in dem sich einige Silberfäden zeigten.
    »Ich habe in unserer Station solche Fälle schon erlebt, Patienten, die einen Teil ihrer Vergangenheit einfach vergessen hatten.«
    »Woher kommt so was?«
    »Nun, es waren eher Junkies. Ecstasy- oder Crack-Konsum, der dazu führen kann, dass eine Sicherung durchknallt. Wenn sie dann wieder zu sich kommen, ist ihr Gedächtnis durchlöchert wie ein Schweizer Käse.«
    Duschgel und Shampoo in der Hand, setzte sich Tony kurz neben Nino.
    »Cyrille ist doch kein Junkie!«
    »Natürlich nicht. Aber wer weiß? Vielleicht hat sie ja in Thailand Mist gebaut … Womöglich hat sie Pilze geschluckt und dadurch einen Schlag weg.«
    »Vergiss nicht, dass sie auf einem Psychiatriekongress war, noch dazu mit ihrem Mann. Meines Erachtens hatte sie keine Gelegenheit für irgendwelche Eskapaden.«
    »Stimmt, das wäre eigenartig.«
    Tony warf sein Handtuch über die Stange und ließ das Wasser laufen, bis es heiß war. Das Gesicht voller Seife, stellte er schließlich die Frage, die ihm auf den Lippen brannte:
    »Wirst du sie anrufen?«
    Nino kaute erneut an den Nägeln.
    »Ja, ich muss ihr etwas sagen.«
    »Was?«
    Nino setzte einen Fuß in die Dusche und senkte die Stimme:
    »Ich war gestern Morgen im Zentralarchiv …«
    Tony hörte auf, sich einzuseifen.
    »Bist du verrückt? Und …«
    »Nichts.«
    »Wie nichts?«
    »Keine Krankenakte Daumas. Oder besser gesagt, sie ist leer.«
    »Wo ist der Inhalt?«
    »Keine Ahnung. Entweder sind die Unterlagen falsch abgelegt worden oder sie sind anderswo.«
    Das Wasser prasselte auf Tonys Rücken. Beunruhigt sah er, wie

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