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Begraben

Begraben

Titel: Begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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seinen Rücken, dann wieder den Kopf und kraulte ihn unter dem Kinn. Es war, als würden sie in einer geheimen Sprache kommunizieren.
    »Magst du Katzen?«
    Er nickte. Sie drückte leicht seinen Arm.
    »Komm, lass uns verschwinden.«
    Julien erhob sich, seine Hand glitt noch einmal über den Rücken des Tiers bis hin zum Schwanz, dann verließ er in aller Seelenruhe den Raum. In der Küche nahmen sie ihre Vorräte und gingen zur Treppe, die nach oben zu ihrem Zimmer führte.
    *
    Gleichzeitig ein Vibrieren in beiden Kitteltaschen. Cyrille tauchte aus ihrer Lethargie auf. Seit gut einer Stunde hatte sie geistesabwesend nach draußen gestarrt. Sie drückte ihre zweite Zigarette auf dem Fenstersims aus und sah auf ihren Piepser und ihr iPhone. In Zimmer 2 wurde geklingelt, und sie hatte eine neue SMS bekommen. Die Nummer war ihr unbekannt. Sie sprang auf, schlüpfte in ihre Schuhe und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Ich werde eine Lösung finden und aus diesem Problem gestärkt hervorgehen. Keine Panik, das kostet nur Zeit und Energie. Ich schaffe es. Sie lief zur Treppe. In Zimmer 2 lag Mathilda Thomson, eine junge Frau, die vergewaltigt worden war. Die Polizei hatte den Täter zwar zwei Monate später festnehmen können, doch die junge Frau fand nicht in die Normalität zurück. Sie hatte sich von ihrem Mann getrennt und war im Begriff, die Verbindung zu ihren beiden Kindern abzubrechen. Cyrille hatte sie unter ihre Fittiche genommen, in extremis in die Meseratrol-Studie eingegliedert und ihr vorgeschlagen, einige Tage hier zu verbringen und an Therapiesitzungen teilzunehmen. Die ersten Ergebnisse waren zufriedenstellend. Sie lief eilig die Treppe hinab und las dabei die SMS auf ihrem iPhone.
    »Wir helfen dir. Grüße. Nino und Tony«
    Cyrille hielt kurz inne und las die Nachricht mit klopfendem Herzen ein zweites Mal. Mein Gott . Sie war auf die Hilfe von Menschen angewiesen, die sie kaum kannte …
    Nach dem Schock hatte Nino ihr einen weiteren Planter’s Punch angeboten. Sie hatte ihr Glas in einem Zug geleert. Sie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Vielleicht hatte der viele Alkohol, den sie offenbar damals getrunken hatte, die Erinnerung an ihre Studentenzeit getrübt.
    »Ich würde dir zu einem Kernspin raten«, meinte Nino.
    »Ich habe vor drei Tagen bereits ein MRT gemacht, ohne Befund.«
    »Kannst du dich erinnern, warum du Sainte-Félicité verlassen hast?«
    »Das weiß ich noch«, antwortete Cyrille triumphierend. »Gleich nach dem Examen bin ich mit Benoît zum Kongress nach Bangkok gereist und … danach wollte ich nicht mehr zurück nach Sainte-Félicité. Wir sind nach Amerika gegangen, und anschließend habe ich meine Klinik eröffnet.«
    »Ja, das weiß ich, und ab diesem Zeitpunkt haben wir nichts mehr von dir gehört.«
    Cyrille erhob sich und lief im Zimmer auf und ab.
    »Als ich aus Thailand und später aus den USA zurückgekommen bin, habe ich nicht mehr an all das gedacht. Ich wollte einen Schlussstrich unter Sainte-Félicité ziehen.«
    Cyrille setzte sich auf die Sofalehne. Die Frage, die sie jetzt stellen würde, könnte all ihre Gewissheiten zum Einsturz bringen.
    »Und Daumas müsste ich also auch kennen?«
    Nino lächelte.
    »Julien Daumas, ja, den hast du behandelt, gleich nachdem er Ende zweitausend nach einem Selbstmordversuch eingeliefert wurde und es ihm sehr schlecht ging.«
    Cyrille knirschte mit den Zähnen. Sie war so benommen, dass sie nichts mehr empfand.
    »Und weiter?«
    »Viel mehr kann ich dir nicht sagen, weil ich damals meine Fortbildung zur Heimpflege gemacht habe und nicht da war. Ich weiß nur das, was du mir später erzählt hast.«
    Cyrille runzelte die Stirn.
    »Und was habe ich dir gesagt?«
    Sie hatte ganz automatisch begonnen, ihn ebenfalls zu duzen. Sie hätte fliehen wollen, weit weg, in ein anderes Land, wo niemand wüsste, dass sie den Verstand verloren hatte.
    »Er wollte ausschließlich mit dir reden. Deshalb hat Manien dich zuständig für den Fall erklärt, was dir den Neid deiner Kollegen eingetragen hat. Das war drei Wochen, bevor du auf Reisen gegangen bist, und ich habe dich bis zum heutigen Tag nie wieder gesehen.«

18
    10.   Oktober, 7   Uhr   30
    Benoît Blake zog die Decke über die Schultern seiner Frau, die schon seit einer guten halben Stunde tief und fest schlief. Er schämte sich für sein Benehmen am vorletzten Abend und wusste nicht, wie er das wiedergutmachen

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