Begraben
dass die Frau des Großen Mannes halb verrückt war! Sie schwieg, um Nino Zeit zum Überlegen zu lassen. Sie konnte den Magnetstimulator nicht allein bedienen und brauchte eine Fachkraft in ihrer Nähe, falls Probleme auftreten sollten.
»Ich tue dir gerne auch diesen Gefallen«, murmelte der Sizilianer.
»Danke …«, flüsterte Cyrille.
Eine Dreiviertelstunde später saß sie auf dem Stuhl und machte eine äußerst merkwürdige Erfahrung mit dem Magnetstimulator.
Den Kopf in der Kopfstütze fixiert, war Cyrille nicht mehr in der Lage, die Augen zu öffnen. Gedanken und Erinnerungen überschlugen sich unkontrolliert in ihrem Gehirn. Sie drückte sich gegen den Stuhl, als säße sie in einem Formel-1-Wagen, der über die Piste raste. Nino begleitete sie und sprach mit ihr, aber sie brachte kaum eine verständliche Antwort hervor.
Nino machte sich Sorgen. Nachdem Cyrille den TMS eingestellt hatte, hatte sie eine Dosis Tacrin vorbereitet. Nino hatte sie das Medikament auf zwei Mal inhalieren lassen. Er kannte das Gerät zwar nicht, doch da Cyrille ihn instruierte, war die Sache nicht zu kompliziert. Wie seine alte Freundin es ihm gesagt hatte, stellte er die Frequenz auf das zulässige Maximum ein. Das Magnetfeld durchdrang den Schädel und stimulierte die Nervenfasern der obersten Schicht, was bekanntermaßen zu einer Beschleunigung der Gedanken und zur Aktivierung der geistigen Fähigkeiten führte. Cyrille rührte sich nicht, doch ihre Lider flatterten.
»Alles okay? Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«
»Ja«, antwortete sie leise.
»Dann konzentriere dich jetzt auf Sainte-Félicité. Erzähl mir, was du siehst.«
Cyrille hielt die Augen geschlossen, und ihre Worte überschlugen sich.
»Der Gang ist schmutzig, und Madame Gomez hat sich in die Hose gemacht, es ist mein erster Fall von Altersdemenz, und der diensthabende Arzt befiehlt mir, sie umzuziehen, niemand hilft mir, auf der geschlossenen Station ist auch der Obdachlose mit seinen mystischen Wahnvorstellungen, den wir in den Isolierbereich bringen müssen, seine Hände sind voller Exkremente, die er an die Wände geschmiert hat.«
Sie holte Luft.
»Manien kann mich vom ersten Tag an nicht leiden, weil ich als Zusatzkurs nicht seinen, sondern den von Benoît gewählt habe.«
»Welche Freunde hast du in der Abteilung?«
»Ich mag Colette gern und Maxence, aber der bleibt nicht lange. Dich mag ich auch, weil du mich nicht verachtest, du hast mir aus der Patsche geholfen, als ich mich bei der Dosierung der Neuroleptika beinahe vertan hätte.«
Cyrille öffnete die Augen, die tränennass waren.
Nino schaltete den Strom ab, die Stimulation durfte jedes Mal nur wenige Minuten andauern, da eventuelle Nebenwirkungen nicht bekannt waren. Cyrille entspannte sich. Der Lauf ihrer Gedanken verlangsamte sich.
»Siehst du, die Erinnerung kommt zurück.«
»Und Tony?«
»Nein, sein Gesicht ist mir zwar nicht unbekannt, aber das ist auch alles, sorry.«
»Bist du bereit?«
»Ja.«
Nino schaltete den Strom wieder ein.
»Und Julien Daumas?«
»Ich habe ihn vor einer Woche zum ersten Mal gesehen.«
Plötzlich überkam sie eine neue Woge von Bildern.
»Ich bin mit Benoît im Hilton in Bangkok. Er behandelt mich die ganze Zeit wie ein Kind, weil ich seine Kollegen nicht mag und einige ihrer Methoden verabscheue. Er sagt mir, ich hätte keine Ahnung, und eines Morgens, als Benoît in einer Konferenz ist, frage ich mich, was ich hier zu suchen habe, packe meine Tasche und verschwinde.«
Cyrille setzte ihren Monolog noch eine Weile fort, doch ihre Stimme war nur noch ein Murmeln. Das Experiment musste bald abgebrochen werden. Nino versuchte, Cyrille in die Enge zu treiben.
»Und dann? Erinnerst du dich, ob du Drogen genommen hast?«
Cyrille öffnete die Lider. Ihr Blick war glasig. Nino schaltete die Stimulation ab. Cyrille Blake erzählte noch einen Moment unverständliches Zeug, bis sich ihr vom Tacrin aufgeputschtes Gehirn beruhigt hatte und wieder normal funktionierte. Sie saß einige Minuten da und sah Nino an.
»Ich habe Kopfschmerzen.«
»Kein Wunder«, gab dieser lächelnd zurück, »nach der Anstrengung! Alles okay?«
Cyrills Haar klebte an ihrer schweißnassen Stirn. Sie ließ den Kopf gegen die Lehne des Stuhls sinken.
»Ich habe gerade erfahren, dass wir im normalen Alltag langsam denken und nur die Hälfte unserer Kapazitäten einsetzen! Eine solche Stimulation würde ich brauchen, wenn ich meine Berichte schreibe …«
Sie
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