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Begraben

Begraben

Titel: Begraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elena Sender
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das ist unvernünftig.«
    »Wie soll das gehen? Darauf haben wir das ganze Jahr hingearbeitet. Ich muss Meseratrol und unsere klinischen Ergebnisse im Rahmen der Behandlung von Traumata vorstellen. Der Verwaltungsrat verlangt, dass ich hinfahre, um PR-Arbeit zu machen. Ich gebe Interviews, zwei davon im Fernsehen. Und ich treffe auch einen Vertreter der Opferbetreuung, um eine eventuelle Partnerschaft zu besprechen, die uns bekannter machen könnte. Ich kann das nicht alles absagen. Es ist für das Zentrum elementar.«
    »Du scheinst mir nicht reisefähig. Und es wäre nicht gut für dich, noch mehr Stress zu haben.«
    Benoît schlug den besorgten Ton eines Arztes an, um seiner Frau ein unsichtbares, aber durchaus logisches Hindernis in den Weg zu legen.
    Cyrille führte ein neues Argument an:
    »Ich will dir nicht verschweigen, dass ich vorhabe, in Bangkok einen Neurologen des Brain Hospital aufzusuchen.«
    Benoît runzelte die Stirn.
    »Und wen, bitte?«
    »Sanouk Arom.«
    »Du hast einen Termin bei Arom ausgemacht? Wusste ich’s doch, du bist wirklich total verrückt!«
    »Was hast du denn gegen ihn?«
    »Was ich gegen ihn habe? Er behandelt seine Patienten mit Elektroden, die er zufällig platziert. Ich will nicht, dass du dich in die Hände eines Scharlatans begibst, der nach dem Prinzip des wissenschaftlichen Empirismus arbeitet.«
    In diesem Moment sah Cyrille rot.
    »Und seine Arbeiten über die labilen Erinnerungen bei Mäusen, ist das vielleicht auch empirisch?«
    Volltreffer. Benoît ballte vor Wut die Fäuste.
    »Ich verbiete dir, zu diesem Kerl zu gehen, der garantiert deine Verzweiflung ausnutzen und dir sonst was vormachen wird.«
    »Ich denke, ich verfüge noch immer über eine gewisse Kritikfähigkeit, was Behandlungsmethoden angeht«, erklärte Cyrille mit einem bitteren Lachen.
    »Das glaube ich ganz und gar nicht. Wenn du wirklich bei Verstand wärst, hättest du nicht allein die Wohnung eines Psychopathen aufgesucht oder einen Termin bei Doktor Frankenstein ausgemacht.«
    Und sie hatte mit dem Mitgefühl, dem Verständnis ihres Mannes gerechnet. Fehlanzeige! Wie immer wurde eine Machtprobe daraus. Benoît wollte, dass sie »seine Lösung« akzeptierte, ohne eine andere in Betracht zu ziehen. Er hatte ihr gar nicht zugehört. In seinen Augen würde sie immer die kleine Studentin bleiben, die ungeschickt und unwissend war. Gerade gut genug, um einfache Fälle zu behandeln und ihn zu Galadiners zu begleiten. Plötzlich verabscheute sie ihn. Benoît sprang auf, verschwand im Badezimmer und kam mit einem Glas Wasser und einer Tablette zurück.
    Besänftigend sagte er:
    »Mein Liebling, du musst schlafen, ja? Morgen besprechen wir die Sache in aller Ruhe. Du wirst sehen, alles wird gut, ich kümmere mich um alles.«
    Cyrille sah Benoît an, dann das Schlafmittel, das er in der Hand hielt. Verärgert nahm sie die Tablette, schob sie in den Mund und trank das ganze Glas Wasser aus, ohne ihren herausfordernden Blick von ihm abzuwenden.
    »Du hast recht, es ist besser, zu schlafen, als mit dir zu diskutieren.«
    Sie legte sich hin und zog die Bettdecke über den Kopf. Tränen der Wut tropften auf das Kopfkissen.

Bangkok
    In dem Phra Phum, dem Geisterhäuschen am Ende des Gartens, verströmten die Räucherstäbchen ihren Moschusduft. Hier hatten die verblichenen Fotos und Porträts von Sanouk Aroms Eltern und Großeltern einen Platz gefunden. Es war dreizehn Uhr, der alte Professor legte die Hände unter dem Kinn zusammen und verbeugte sich. Am Morgen war er im Tempel gewesen. Nachdem er zu Buddha gebetet hatte, war er zu einem Weisen Mann gegangen, der die Zukunft vorhersagte. Er hatte einen zylinderförmigen Holzbecher mit zwanzig Stäbchen geschüttelt, bis eines herausgefallen war.
    Es trug die geheimnisvolle Aufschrift »Du kannst deiner Vergangenheit nicht entfliehen«. Sanouk Arom war Wissenschaftler und machte sich gerne über den Volksglauben lustig. Doch diese auf magische Weise übermittelte Nachricht hatte ihn eigenartig berührt. Bevor er nach Hause ging, kaufte er als Glücksbringer ein aus gelben und blauen Bändern geflochtenes Amulett und ein Bildnis des Buddha.
    Er hatte dreißig Jahre im Ausland gelebt – fünfundzwanzig in den USA und fünf in Frankreich – und war stolz auf seinen Lebenslauf. All seine Diplome und lobenden Erwähnungen waren in seinem Büro im Brain Hospital of Bangkok aufgehängt, zu dessen führenden Ärzten er gehörte. Das war seine Sicherheit, der Zugangscode

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