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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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versuchte, mich gegen den Angriff zu
schützen.
Ich sah schräg zu ihnen auf. Es waren vier, dunkelhäutig, in
schwarzen Lederjacken und hellen Jeans.
Spl-tt!
Ein Springmesser blitzte auf.
Einer von ihnen, ein schmales, sehniges Muskelpaket mit
schwarzem Schnauzbart und schneeweißen Augäpfeln, bespuckte mich mit den Worten: »Altes Schwein! Altes Schwein!« Er
preßte mir ein Knie von unten in den Schritt, daß mir der
Schmerz durch den Unterleib fuhr.
Einer rief etwas in einer Sprache, die ich nicht verstand, und
alle wandten auf Kommando den Blick zum Stortorv.
Dort kam eine neue wilde Hatz angestampft, in schweren,
schwarzen Stiefeln, aber sonst genauso gekleidet: in Lederjakken und Jeans. Sie waren weiß wie die Engel Gottes, mit
glattrasierten Schädeln, und schwangen einen halben Meter
lange Baseballschläger über den Köpfen. Die Rufe, die sie
ausstießen, hätte Mike Tyson erblassen und Attila und seine
Hunnen ihre Reiseroute umlegen lassen. Mich erschreckten sie
jedenfalls zu Tode.
Der Junge, der vor mir stand, spuckte mir mit Gefühl ins
Gesicht und schubste mich dann gegen eine Wand, ließ los und
setzte seinen Kumpels nach, mit Riesenschritten in Richtung
Youngstorg.
Die Wilde Hatz donnerte vorbei wie ein entgleister Güterzug.
Nur der letzte in der Reihe nahm sich die Zeit stehenzubleiben,
wahrscheinlich, um Atem zu holen. Während er mich vom
Bürgersteig aufhob, auf dem ich gerade zusammensank, grunzte
er: »Haben die Schwarzköppe dir was getan? Wir machen sie
fertig! Wir jagen sie bis ans andere Ufer, wo sie hingehören.
Und noch weiter, wenn die Bullen nicht kommen! Biste einer
von uns, oder …?«
Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft, nein zu antworten;
vielleicht hatte ich auch Angst, noch einmal zusammengeschlagen zu werden. Ohne zu warten, raste er weiter, erneut die
Baseballkeule schwingend, während ich mit ausgestrecktem
Arm an die Bordsteinkante taumelte und das Codewort zum
Paradies herauspreßte: »Taxi! Taxi …«
34
    Die ärztliche Ambulanz in Oslo ist der Gradmesser, der über den
allgemeinen Gesundheitszustand der Stadt Auskunft gibt. Wenn
ich mir die ansah, die vor mir in der Schlange standen, in den
eineinhalb Stunden, die ich darauf wartete, an die Reihe zu
kommen, war der Zustand eher schlecht.
    Ein dünner kleiner Mann in den Dreißigern mußte einen
Nahkampf mit einem Bären ausgetragen haben. Der eine Arm
schien an einem dünnen Faden zu hängen, und die Splitter seiner
zerbrochenen Brillengläser stachen wie eine Zahnreihe aus der
Haut um seine Augen. Er saß da und jammerte wie ein kleines
Kind.
    Ein dunkelhäutiger Mann in weißem Kaftan und grünem
Turban wurde auf einer Bahre hereingetragen. Er preßte die
schmalen Hände gegen den Bauch, wo ein ständig größer werdender Blutfleck verriet, daß sein ganzes Röhrensystem
herausfallen würde, wenn er nicht fest genug hielt.
    Das Gesicht eines jugendlichen Lederjackenträgers, der eigentlich wirkte, als sei er ziemlich hart im Nehmen, sah aus, als
habe sich jemand einen Spaß daraus gemacht, darauf mit
Spikes-Schuhen Walzer zu tanzen.
    Zum Schluß stand die Wahl zwischen mir und einer älteren
Frau, die auf dem Heimweg von einem Besuch bei ihrer Tochter
in Lørenskog in der Taxischlange vor dem Hauptbahnhof niedergeschlagen und ausgeraubt worden war. Zwei Zähne waren
ausgeschlagen, und sie war durch den Schock aschfahl.
    Meine Ritterlichkeit siegte und ließ sie mit einem gezwungenen Lächeln vor. Es tat teuflisch weh, vom Kopf bis zum Unterleib. Ich humpelte auf einem Bein, an dem einer der Übeltäter
einen Marathonmuskel getroffen hatte, der schon vorher am
Ende gewesen war.
    Als ich endlich an die Reihe kam, ging ich krumm ins Untersuchungszimmer, während ich mit den Händen meine edlen
Teile festhielt, als seien sie aus Königlich Dänischem Porzellan
und als wagte ich nicht, sie aus der Hand zu geben.
    Der Geruch von Äther wurde deutlicher.
Die junge Ärztin lächelte mich professionell an. Als sie mich
zu einer Behandlungshege wies, sah sie kurz auf die Karte, die
ich an der Aufnahme ausgefüllt hatte. »Ach, ein Bergenser?«
»Ja, aber das war nicht der Grund.«
»Sicher?«
Ich setzte mich auf den Rand der Liege, so vorsichtig, als sei
es ein Nagelbrett. Sie erhob sich und kam zu mir herüber,
    leuchtete mir in die Augen, bewegte die Finger davor hin und
her, befühlte meinen Kieferknochen mit den Fingerspitzen und
kontrollierte, ob das Schlüsselbein an Ort und

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