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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Stelle saß.
»Kannst du das Hemd aufknöpfen?«
    Ich tat, was sie sagte, und sie untersuchte meinen Oberkörper,
mit besonderer Konzentration auf die Rippen.
»Kannst du dir die Hose ausziehen und dich hinlegen?«
Als ich etwas zögerte, fügte sie hinzu: »Beide Hosen.«
Ich legte mich auf die Liege und versuchte, die Beine zu
strecken. »Ich bin etwas steif. Ich bin heute Marathon gelaufen.«
»Ach ja? War das so hart?«
Mit kühlen Fingern faßte sie mir an die Hoden. Vorsichtig
drückte sie zu. Es quietschte im Gebälk, die Tränen schossen
mir in die Augen, und ich spürte, wie mir der Schweiß auf die
Stirn trat.
»Tut das weh?«
Ich nickte.
»Du wirst da unten ziemlich anschwellen.«
Ich lächelte tapfer. »Ist das nicht der Sinn der Sache?«
»Nicht so weit unten.«
Sie beendete die Untersuchung. »Aber das ist nur vorübergehend. Sie vertragen Unglaubliches.«
»Das hab’ ich gemerkt.«
»Jedenfalls kannst du froh sein, daß du nicht morgen Marathon
laufen sollst. Zieh dich wieder an.«
Sie setzte sich hinter einen Schreibtisch, schrieb etwas auf die
Karte und füllte ein Rezept aus. »Du hast Glück gehabt. Nicht
viele kommen nach einer Kollision mit Oslo by night mit so
relativ heiler Haut davon. Es ist nichts gebrochen, aber ich
schreibe dir etwas Schmerzstillendes auf, und dann wird ein
Pfleger die Wunden in deinem Gesicht versorgen. Willst du den
Vorfall melden?«
»Nicht jetzt. Ich gehe sowieso morgen zur Polizei.«
Sie hob den Kopf und sah mich an. »So?«
»Ja. Wir haben was zu besprechen. Nichts Besonderes, nur
zwei, drei plötzliche Todesfälle.«
»Gut, daß du dich nicht dazugesellt hast.«
»Ja – danke.«
Ich wurde zu einer Kabine nebenan geführt, wo ein Pfleger in
meinem Gesicht Unkraut jätete, es mit einem Desinfektionsmittel besprühte und die Beete mit Tannengrün für den Winter
abdeckte. Als ich wieder herauskam, war ich kreuz und quer mit
Pflaster versehen, und die Haut kochte wie eine frischgewürzte
Rollwurst, ausgiebig gepfeffert.
Ich wartete auf ein Taxi. Es war drei Uhr. Noch war es lange
hin, bis der Morgen seine zwei Aspirin in unser Glas warf und
es darin aufbrausen ließ. Noch gab es nur nachtschwarze Drinks.
Das Taxi kam. Ein wenig sprachgewandter Sikh aus Mysen
brachte mich per Eilpost nach Hovseter, wo ich einen Gutschein
von der Ambulanz unterschrieb und ihm mein berühmtes Lächeln als Trinkgeld gab.
Ich schloß die Wohnung auf und schlich mich durch den Flur
ins Wohnzimmer, um sie nicht zu wecken. Dort saß sie jedoch
am Tisch, mit Schlagseite im Blick, auf halber Höhe der zweiten
Weißweinflasche.
Als sie mich sah, schrak sie zusammen. »O Gott, was ist passiert?!« Sie lachte nervös, hoch oben im Hals. »Ich hatte keine
Ahnung, daß es so gefährlich ist, Marathon zu laufen.«
»Oslo bei Nacht, ich kann dir sagen!«
Sie griff nach meiner Hand. »Komm, setz dich und erzähl!«
Ich setzte mich, und sie fiel neben mich, auf eine Weise, die
mich ganz unruhig machte, unbequem wie ich saß, auf etwas,
das sich wie ein fast platter Fußball anfühlte.
»Was ist passiert?«
Ich sah sie an. Sie war diskret elegant gekleidet: graue Bluse
und kurzer, schwarzer Rock. Aber es war nicht die Spur von
Schminke auf ihrem Gesicht. Die Lippen waren fast unanständig
nackt, als wären sie stark beansprucht worden. Der Fußball war
voller Schotter.
Dann erzählte ich ihr von PLAY-TIME und Ove Haugland,
wie die Show gewesen war und was mich draußen erwartet
hatte.
»Ein roter Ford mit Fuchsschwanz hinter der Heckscheibe?«
platzte sie heraus.
»Ja? Kennst du so einen?«
»Ich …« Ihr Blick flackerte. »… habe so einen gesehen, hier
draußen, vor ein paar Tagen.«
»Hier, vor dem Block?«
»I-ich glaube.«
Weitere Kommentare hatte sie nicht abzugeben. Ihr Blick war
schwer, als hätte er mehr als eineinhalb Flaschen Wein zu
tragen.
»Und du?« fragte ich. »Hattest du einen schönen Abend?«
Ihr Blick glitt an mir vorbei. »Er ist nicht gekommen. Er war
wohl verhindert.« Mit einem bitteren Lächeln fügte sie hinzu:
»Ich bin das gewohnt. So ist das, wenn man – Bekanntschaften
hat, die nicht frei über ihr Leben bestimmen können. Statt
dessen hat mich ein anderer abgeschleppt.« Sie begegnete
meinem Blick. »Aber ich hab’ ihn rechtzeitig abgewimmelt, no
hard feelings.«
Vorsichtig strich sie mit einer Hand über meine Wange, streifte die bepflasterten Stellen mit sichtbarem Schaudern und ergriff
schließlich mit warmen Fingern meine

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